Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Eine Tatsache ist "neu", wenn sie das Finanzamt bei Erlass des ursprünglichen Steuerbescheides, d.h. bei abschließender Zeichnung des entsprechenden Eingabewertbogens noch nicht kannte.

Der Steuerpflichtige seinerseits muss seiner Mitwirkungspflicht voll genügen, also die Steuererklärung vollständig, richtig und eindeutig abgeben.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 08.11.2011; Aktenzeichen X B 55/11)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gegeben sind.

Der Kläger erzielte im Streitjahr wie bereits in den Vorjahren 2002 und 2003 neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit als Geschäftsführer, aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Media-Agentur. Den Gewinn hieraus ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG.

In seiner am 08.11.2004 als Anlage zur Einkommensteuererklärung 2002 eingereichten Einnahmen-Überschuss-Rechnung machte der Kläger bei den Betriebsausgaben u.a. auch einen Betrag von 28.000 € als Ansparabschreibung für den Kauf eines PKW Mercedes Benz zum geschätzten Preis von 70.000 € geltend, den er in den Jahren 2003/2004 zu kaufen beabsichtigte.

In der mit der Einkommensteuererklärung vom 05.04.2006 eingereichten Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2004 löste der Kläger die Ansparrücklage aus dem Jahr 2002 nicht gewinnerhöhend auf, sondern erklärte insoweit gar nichts. Am 16.06.2006 erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2004, ohne eine Betriebseinnahme für die Auflösung der Ansparrücklage anzusetzen.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2005 im Juni 2007 hatte das Finanzamt festgestellt, dass die Ansparabschreibung in Höhe von 28.000 € aus dem Jahr 2002 zur Anschaffung eines Pkws im Jahr 2004 noch nicht gewinnerhöhend aufgelöst worden ist. Der Beklagte forderte den Klägervertreter telefonisch auf, die Auflösung der Rücklage in 2004 umgehend nachzuholen.

Der Klägervertreter meinte, eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids 2004 nach § 173 Abs. 1 AO komme nicht in Betracht, weil dem Finanzamt die Einstellung der Abschreibung im Jahr 2002 bekannt gewesen sei. Dennoch habe das FA den Einkommensteuerbescheid erlassen ohne Hinweis auf die Auflösung der Ansparabschreibung. Bei gehöriger Erfüllung der dem Finanzamt nach § 88 AO obliegenden Ermittlungspflicht hätte die fehlende Auflösung der Ansparabschreibung schon vor der Steuerfestsetzung festgestellt werden können.

Daraufhin holte das Finanzamt zunächst die Auflösung der Ansparabschreibung aus dem Jahr 2002 im Einkommensteuerbescheid 2005 vom 29.08.2007 nach, da es eine Änderung des Bescheids für 2004 gem. § 173 Abs. 1 AO mangels neuer Tatsache nicht mehr für möglich hielt.

Dem Einspruch des Klägers hiergegen gab der Beklagte statt und änderte den Einkommensteuerbescheid 2005 entsprechend, änderte jedoch daraufhin am 28.02.2008 den Einkommensteuerbescheid 2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und löste die Ansparrücklage dort auf, indem er den Gewinn um 28.000 € zzgl. 3.360 € Zinsen für 2 Jahre gem. § 7g EStG erhöhte.

Mit dem Einspruch hiergegen vom 05.03.2008 machte der Kläger geltend, die Voraussetzungen für die Änderung des Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO lägen nicht vor. Alle Tatsachen, die dem Finanzamt bei Zeichnung des Eingabewertbogens entweder positiv bekannt waren oder hätten bekannt sein können, seien keine neuen Tatsachen. Dem Finanzamt hätten alle Informationen vorgelegen, aus denen erkennbar gewesen sei, dass der Kläger keine Wirtschaftsgüter innerhalb von zwei Jahren nach Bildung der Rücklage angeschafft habe und dementsprechend die Rücklage 2004 hätte auflösen müssen. Das Finanzamt habe zum Steuerbescheid 2005 selbst angemerkt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm nicht gegeben seien. Der Kläger habe in der Steuererklärung für 2004 keine unrichtigen Angaben gemacht, die Offenlegung der Tatsache, dass eine Ansparabschreibung bestehe, sei bereits mit Abgabe der Steuererklärung für 2002 erfolgt. Die jeweiligen Buchungsvorgänge seien aus den der Gewinnermittlung beigefügten Kontennachweisen ersichtlich gewesen. Somit sei klar dokumentiert gewesen, dass überhaupt keine Anschaffungen getätigt worden seien, die mit der in 2002 gebildeten Rücklage hätten korrespondieren können.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 05.06.2008 zurück.

Der Kläger hat hiergegen am 25.06.2008 Klage erhoben.

Neue Tatsachen zur Änderung nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO seien nur solche, die im Zeitpunkt der Zeichnung des Eingabewertbogens bereits vorhanden, aber noch unbekannt seien. Aus den Akten sei ersichtlich, dass die in der ...

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