Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Kostenerstattung der Familienkasse gem. § 77 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Familienkasse, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist, demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt entsprechend für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung.

 

Normenkette

EStG § 77

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.08.2009; Aktenzeichen III B 245/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die beklagte Familienkasse dem Kläger die Kosten für ein vorangegangenes Tätigwerden des Klägervertreters zu ersetzen hat.

Der Kläger bezog Kindergeld für seine Tochter A, geb. 11.9.1982. Die Familienkasse forderte den Kläger im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung mit Schreiben vom 19.6.2007 auf, Nachweise für das Fortbestehen der Behinderung von A und über die Höhe ihrer Einkünfte und Bezüge vorzulegen; um eine Unterbrechung der Kindergeldzahlung zu vermeiden, seien die Unterlagen innerhalb von vier Wochen vorzulegen. Mit Einschreiben vom 27.6.2007, eingegangen bei der Familienkasse am 29.6.2007, reichte der Kläger eine Kopie des Schwerbehindertenausweises (Merkzeichen G, Grad der Behinderung 90 %) und Gehaltsabrechnungen ein. Am 18.7.2007 übersandte er erneut eine Kopie des Schwerbehindertenausweises. Trotzdem stellte die Familienkasse ab August die Kindergeldzahlungen für A ein; der Kläger erhielt am 10.8.2007 nur noch Kindergeld für sein zweites Kind. Daraufhin erhob er mit Schreiben vom 16.8.2007, eingegangen am 21.8.2007, „Widerspruch gegen die Rücknahme des Kindergeldes“. Mit Schreiben vom 11.9.2007 gab er an, er habe die notwendigen ärztlichen Unterlagen eingereicht. A sei weiter außerstande, alleine ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Er verlange daher die Fortzahlung des Kindergeldes. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.9.2007 wies die Familienkasse den Einspruch des Klägers als unzulässig zurück, da es sich beim angefochtenen Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe.

Mit Schreiben vom 25.9.2007 forderte die Familienkasse ein aktuelles ärztliches Gutachten an. Die Rehastelle der Bundesagentur für Arbeit kam am 9.10.2007 nach Aktenlage zur Auffassung, dass A in der Lage sei, eine 15 Stunden umfassende Beschäftigung auszuüben.

Mit Schreiben vom 11.10.2007 wandte sich nunmehr der Klägervertreter unter Vorlage einer am 27.9.2007 vom Kläger unterschriebenen Vollmacht an die Familienkasse und legte die Kopie des Schwerbehindertenausweises, die Anforderung des Versorgungsamtes, den Ausweis zur Verlängerung vorzulegen, und die Gehaltsabrechnung für August 2007 vor. Mit Schreiben vom 16.10.2007 erläuterte die Familienkasse dem Klägervertreter, dass aufgrund der Einschätzung der Rehastelle ein aktuelles ärztliches Gutachten erforderlich sei. Mit Schreiben vom 18.12.2007 vertrat der Klägervertreter die Auffassung, die Ursächlichkeit von As Behinderung für die Unmöglichkeit, eine gewöhnliche Arbeit zu finden, sei im Hinblick auf den Änderungsbescheid vom 27.5.2002, der den Grad der Behinderung von 100 % auf 90 % herabsetzte und das Merkzeichen H entfallen ließ, „offensichtlich“. Mit Schreiben vom 23.1.2008 legte er ein ärztliches Attest vor, wonach A außer Stande sei, selbst und alleine für ihren Lebensunterhalt zu sorgen und eine Vollzeitbeschäftigung unter den Bedingungen des normalen Arbeitsmarktes auszuüben. Daraufhin stellte die Familienkasse mit Bescheid vom 28.1.2008 fest, dass A als behindertes Kind berücksichtigt werde, und kündigte eine Nachzahlung für die Zeit von August 2007 - Januar 2008 an.

Mit Schreiben vom 4.2.2008 begehrte der Klägervertreter die Übernahme von Kosten i. H. v. 1.150,02 €. Die Familienkasse teilte ihm mit Schreiben vom 18.2.2008 mit, dass die Kosten nicht nach § 77 EStG erstattungsfähig seien, da diese Vorschrift das Vorliegen eines Einspruchsverfahrens voraussetze, das nicht vorgelegen habe. Mit Schreiben vom 7.4.2008, eingegangen am 8.4.2008, wies der Klägervertreter auf die Einspruchsentscheidung vom 24.9.2007 hin, die zeige, dass ein Einspruchsverfahren gelaufen sei. Da aufgrund der Einstellung der Kindergeldzahlung und der Nachzahlung aufgrund eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung eine „Einspruchslage“ bestanden habe, sei § 77 EStG analog anzuwenden. Die Familienkasse wies seinen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 9.4.2008 als unbegründet zurück. Das damals durchgeführte Einspruchsverfahren habe nicht zu einem Erfolg geführt, sondern der Einspruch sei als unzulässig verworfen worden. Die Festsetzung des Kindergeldes sei nicht aufgehoben worden, sondern nur sicherheitshalber die Zahlung eingestellt worden, solange die erforderlichen Nachweise nicht vorgelegen hätten. Es habe sich bei der Zahlungseinstellung lediglich um einen Realakt gehandelt. Der Klägervertreter sei außerhalb dieses Rechtsbehelfsverfahrens tätig geworden. Dieses sei aber kostenfrei, wie sich im Umkehrschlus...

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