Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des Kindergelds

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigtem Kindergeld gezahlt. Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält nach § 64 Abs. 3 EStG das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 1, 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 08.11.2005; Aktenzeichen III B 33/05)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Kindergeld hat.

Die Klägerin bezog bis März 2003 Kindergeld für ihre Tochter, geb. am 02.01.1996. Die Tochter ist seit 19.08.2002 in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Der Vater des Kindes zahlt an das Jugendamt der Stadt A monatlich 231 € Barunterhalt. Die Klägerin erbringt keinen Unterhalt.

Mit Urteil vom 23.01.2004 (Az. VII 278/2003) hob das Finanzgericht Nürnberg den Bescheid über die Abzweigung des Kindergeldes an die Stadt A -Jugendamt- vom 01.04.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.08.2003 ab April 2003 auf, weil die beklagte Behörde bei der Ermessensausübung nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt hatte.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin am 30.03.2004 mit, dass der Kindsvater möglicherweise einen vorrangigen Anspruch auf Kindergeld habe und deshalb das Kindergeld für den Zeitraum September 2002 bis März 2003 zurückzufordern sei. Gleichzeitig wurde der Beklagten Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.

Mit Bescheid vom 13.04.2004 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind ab September 2002 auf und forderte das für den Zeitraum September 2002 bis März 2003 gezahlte Kindergeld i.H.v. 1.078 € zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kindergeld, weil das Kind seit 19.08.2002 nicht im Haushalt eines leiblichen Elternteiles lebe und der Kindsvater den überwiegenden Barunterhalt für das Kind leiste.

Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Dagegen richtet sich die Klage der Klägerin.

Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Tochter sei seit 19.08.2002 ohne rechtlichen Grund in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Dadurch werde in die Grundrechte der Tochter eingegriffen, die im Rahmen des § 64 EStG vorrangig zu prüfen seien. Zudem werde durch die rechtswidrige Unterbringung die häusliche Gemeinschaft nicht aufgehoben. Schließlich sei die Hälfte ihres Kindergeldanspruchs bereits im Kindesunterhalt des Kindsvaters berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 13.04.2004 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab September 2002 und die Rückforderung des Kindergeldes für die Zeit September 2002 bis März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.07.2004 aufzuheben.

Die beklagte Behörde beantragt, die Klage abzuweisen.

In Ergänzung zur Einspruchsentscheidung bringt sie sinngemäß vor, der Vater des Kindes sei vorrangig kindergeldberechtigt, weil die Klägerin keinen Unterhalt leiste.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die beklagte Behörde hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung ab September 2002 aufgehoben und für die Zeit September 2002 bis März 2003 das Kindergeld zurückgefordert.

Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigtem Kindergeld gezahlt. Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält nach § 64 Abs. 3 EStG das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt. Das Kindergeld soll demjenigen gezahlt werden, der am meisten mit dem Kindesunterhalt belastet ist, sei es durch Aufnahme in seinen Haushalt, sei es durch Übernahme der Unterhaltskosten. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich jedoch nicht isoliert nach dem zivilrechtlichen Sorgerecht, sondern nach den tatsächlichen Obhutsverhältnissen.

Im Streitfall lebt die Tochter nicht in einem Haushalt eines Elternteils. Sie ist seit 19.08.2002 in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Da das Tatbestandsmerkmal der Haushaltsaufnahme an objektive Kriterien anknüpft, ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, aus welchen Gründen sich das Kind nicht im Haushalt eines Berechtigten aufhält.

Hierzu ist anzumerken, dass für das Kind durch Beschluss des Amtsgerichts A vom 14.02.2002 Ergänzungspflegschaft zugunsten des Jugendamts der Stadt A angeordnet worden ist. Gleichzeitig ist der Klägerin das elterliche Sorgerecht hinsichtlich des Rechts zur Auswahl und Bestimmung des Besuchs vorschulischer und schulischer Einrichtungen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden. Nach diesem Beschluss ist der Ergänzungspfleger berechtigt, Leistungen nach SGB VIII und BSHG zu beantragen und weitere notwendige Untersuchungen und Behan...

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