Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung einer Steuerbegünstigung für selbst genutzten Wohnraum

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt.

2. Die bloße Widmung zur Selbstnutzung, etwa durch Angabe in der Erbschaftsteuererklärung, reicht nicht aus, wenn kein tatsächlicher Einzug erfolgt.

3. Der Erwerber zieht nicht tatsächlich in die Wohnung ein, wenn er sie nur als Lagerraum nutzt oder sich gelegentlich im Garten, auf dem Balkon, im Keller oder auf dem Dachboden aufhält; vielmehr muss der Erwerber in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt haben.

4. Der Erwerber bestimmt die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke i.d.R., wenn er ohne schuldhaftes Zögern innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall prüft, ob er einziehen will, entsprechende Renovierungsarbeiten vornimmt und den Umzug durchführt.

5. Der Erwerber trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Merkmale der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c; BGB § 121 Abs. 1 S. 1; BewG § 181

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung der Steuerbegünstigung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) für die vom Erblasser bis zu seinem Tod selbst bewohnte Doppelhaushälfte.

Der Kläger ist Alleinerbe seines am 00.00.2013 verstorbenen Vaters, Herrn B. K.. Zum Nachlass gehörte die Doppelhaushälfte G1 in H-Stadt, die vom Vater bis zu seinem Tod alleine bewohnt wurde.

Der Kläger bewohnt mit seiner Familie seit dem Jahr 1981 die direkt angrenzende Doppelhaushälfte G2. Nach dem Tod des Erblassers verband der Kläger die Doppelhaushälften G1 und G2 baulich und katastermäßig zu einer Einheit. Nach Abschluss der umfangreichen, teilweise in Eigenleistung erbrachten Sanierungs- und Renovierungsarbeiten nutzt er die so verbundenen Doppelhaushälften seit August 2016 als eine Wohnung.

Das Finanzamt A teilte den angeforderten Grundbesitzwert für die Doppelhaushälfte G1 in H-Stadt am 31.07.2014 in Höhe von 199.719 Euro mit. Unter den nachrichtlichen Angaben ist die gesamte Wohn- und Nutzfläche des Gebäudes mit 203 qm angegeben. Davon entfallen 55 qm auf Abstellräume im Kellergeschoss.

Am 01.02.2016 beantragte der Kläger, den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Erbschaftsteuerbescheid vom 27.01.2015 zu ändern und für die hinzuerworbene Doppelhaushälfte G1 die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zu gewähren. Diesen Antrag lehnte der Beklagte im geänderten, weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Änderungsbescheid vom 24.05.2016 ab. Da der Kläger weiter unter der Adresse G2 gemeldet sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er die geerbte Doppelhaushälfte unverzüglich selbst genutzt habe.

Mit dem dagegen gerichteten Einspruch trug der Kläger vor, dass sich die Selbstnutzung durch die erforderlichen umfassenden Renovierungsarbeiten verzögert habe. Die Selbstnutzung sei von Anfang an beabsichtigt gewesen. So sei bereits im Dezember 2013 zur Planung der notwendigen Bau- und Sanierungsmaßnahmen eine Besichtigung mit einem Bauunternehmer erfolgt, der in der Folge auch mit den Arbeiten beauftragt worden sei. Deren Beginn habe sich allerdings aufgrund der Witterungsbedingungen und der engen Auftragslage bis zum April 2014 verzögert. Zunächst habe man die Feuchtigkeitsbrücken im Terrassen- und Kellerbereich beseitigen müssen, bevor mit der Sanierung im Innenbereich habe begonnen werden können. In der Mitteletage seien durch eine undichte und durch den Erblasser nur notdürftig reparierte Wasserleitung massive Feuchtigkeitsschäden zutage getreten, die dort die Entfernung und den Neuaufbau der Böden erforderlich gemacht und den Gang der Baumaßnahmen und Folgegewerke weiter verzögert hätten. Dies habe der Kläger jedoch nicht zu vertreten. Der Kläger legte dazu eine mit Fotos versehene Chronik der Baumaßnahmen, diverse Rechnungen sowie eine Bestätigung des beauftragten Bauunternehmers vor, auf die Bezug genommen wird (Erbschaftsteuerakte).

Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 12.09.2017 als unbegründet zurück. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Er nahm Bezug auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.06.2015 (II R 39/13, BStBl. II 2016, 225) und verwies darauf, der Kläger habe weder glaubhaft dargelegt noch nachgewiesen, dass die bis August 2016 verzögerte vollständige Nutzung des Objekts zu eigenen Wohnzwecken nicht durch ihn zu vertreten gewesen sei. Den vom Kläger vorgelegten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, wann und wem er zu welchem Zeitpunkt Aufträge für Baumaßnahmen erteilt habe. Vielmehr ergebe sich daraus, dass der schwerpunktmäßige Umbau der mittleren Etage einschließlich der Sanierung des Bades sowie die wesentlichen Umbauarbeiten im Innenbereich erst ab Januar 2016 stattgefunden hätten. Dass der Abschluss der Arbeiten im Außenbereich (Isoli...

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