Entscheidungsstichwort (Thema)

Datenanforderung im Rahmen einer Außenprüfung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Betreiberin einer Apotheke ist gemäß § 147 AO verpflichtet, dem Finanzamt im Rahmen einer Außenprüfung die vollständigen Kasseneinzeldaten in elektronischer Form vorzulegen.

 

Normenkette

AO §§ 144, 143, 147 Abs. 6

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Datenanforderung im Rahmen einer bei der Klägerin andauernden Außenprüfung, insbesondere über den Umfang der in § 147 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) in der bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung (a.F.) geregelten Datenzugriffsrechte des Beklagten.

Die Klägerin betreibt seit … die „Apotheke” in S. Sie zeichnet sowohl den Warenein- als auch den Warenausgang mittels einer PC-Kasse auf und nutzt das Warenwirtschaftssystem „Prokas” der Firma awinta GmbH. Ihren Gewinn ermittelt sie durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Mit Anordnung vom 24.09.2014 ordnete der Beklagte für die Jahre 2010 bis 2012 bei der Klägerin eine Außenprüfung hinsichtlich der Umsatz- und Gewerbesteuer sowie der gesonderten Feststellung von Einkünften an.

Mit Verfügung vom 27.10.2014 (dort Seite 6) forderte der Beklagte die Vorlage der in elektronischer Form gefertigten Buchführung auf einem maschinell verwertbaren Datenträger einschließlich bestimmter Daten aus dem Warenwirtschaftssystem, u.a. die Einzeldaten aus dem Warenverkauf, in elektronisch verwertbarer Form „steuerlich relevante Daten aus der Tabelle BP_Verkauf.csv. Hierbei handelt es sich um die im System einzeln aufgelisteten verkauften Waren, getrennt nach Umsatzsteuersätzen.”). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anforderung vom 27.10.2014 Bezug genommen.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass sie nur zum Teil zur Beantwortung der in diesem Schreiben aufgelisteten Anforderungen verpflichtet sei und legte im Übrigen gegen den Datenanforderungsbescheid zu den sog. Kasseneinzeldaten Einspruch ein. Sie vertrat hierzu insbesondere die Auffassung, dass für die Einzeldokumentation hinsichtlich der Kassenverkäufe kein Zugriffsrecht des Beklagten bestehe.

Das Einspruchsverfahren haben die Beteiligten vor dem Hintergrund der unter dem Az. X R 42/13 und X R 29/13 beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahren zur streitigen Frage zunächst zum Ruhen gebracht und nach Entscheidung des BFH am 16.12.2014 fortgesetzt. Der BFH bejahte die Vorlagepflicht nach § 147 Abs. 6 AO a.F. von Informationen, die Apotheker zu einzelnen Verkaufsvorgängen (freiwillig) auszeichneten und speicherten.

Der Beklagte schloss sich der Rechtsaufassung des BFH an und wies mit Einspruchsentscheidung vom 13.05.2015 den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf die rechtlichen Ausführungen des BFH in seinen Entscheidungen vom 16.12.2014 (zu Az. X R 42/13, BStBl II 2015, 519 und Az. X R 29/13, juris).

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 22.06.2015 erhobenen Klage. Zur Begründung führt sie aus, dass auch unter Berücksichtigung der BFH-Urteile vom 16.12.2014 die Datenanforderung im vorliegenden Fall unrechtmäßig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletzte. Die Ausführungen des BFH in den zitierten Urteilen seien nicht überzeugend. Sämtliche Auffassungen in der Literatur (z.B. Tipke/Kruse, aber auch das Institut der Wirtschaftsprüfer) ordneten § 144 AO (auch nach Ergehen der sog. „Apotheker-Urteile”) als „Aufzeichnungssperre” für den Einzelhandel hinsichtlich des Warenverkaufs ein. Diesen Umstand habe der BFH im Rahmen seiner Entscheidung missachtet. § 144 AO konstatiere einen gesetzlichen Einzelaufzeichnungsverzicht für den Einzelhandel. Etwaige Aufzeichnungen hinsichtlich des Warenverkaufs seitens der Einzelhändler seien freiwillig und als solche unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 24.06.2009 (VIII R 80/06, BSBl II 2010, 452) weder aufbewahrungs- noch datenzugriffspflichtig. Der BFH hingegen habe in der mündlichen Verhandlung am 10.12.2014 zu den Apotheker-Verfahren zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass § 238 des Handelsgesetzbuches (HGB) den § 144 AO als Spezialnorm für Kaufleute verdränge. Bei „richtigem” Verständnis des § 144 AO müsse zwingend gefolgert werden, dass eine Einzelaufzeichnungspflicht für den Einzelhandel zu verneinen sei. Keinesfalls sei § 238 HGB lex specialis zu § 144 AO; vielmehr gelte dies gerade anders herum.

Ferner hätte sich der BFH weder mit der seiner Auffassung entgegenstehenden Literatur oder mit den Entscheidungen der stattgebenden Ausgangsentscheidungen durch das Finanzgericht – FG – Münster oder des Hessischen FG auseinandergesetzt und sei „unverständlich” (unter Hinweis auf Rn. 34 des BFH-Urteils vom 16.12.2014 zu Az. X R 42/13, BStBl II 2015, 519).

Zudem fänden sich Falschzitate in den Urteilsgründen der Urteile des BFH vom 16.12.2014. Der Klägervertreter vertraue „unverdrossen auf den Rechtsstaat”. Es sei „schwer vorstellbar”, dass das FG Münster „ein Urteil bestätigt, dass mit einem offenkun...

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