Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Erstattungsbetrages gegenüber Insolvenzverwalter. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: X R 3/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Schuldner eines abgabenrechtlichen Rückforderungsanspruches ist derjenige, zu dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückgefordert wird; i.d.R. also derjenige, demgegenüber die leistende Behörde ihre abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will.

2. Zahlungen, die auf einem von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter eingerichteten Anderkonto eingehen, fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Insolvenzmasse, sondern stehen ausschließlich dem Anwalt zu und können von diesem nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückgefordert werden.

3. Hat der Insolvenzverwalter dagegen statt eines Anderkontos ein sog. Sonderkonto eingerichtet, dessen Guthaben vermögensrechtlich dem Schuldnervermögen bzw. der Masse zuzuordnen ist, während dem Insolvenzverwalter (nur) die Verfügungsbefugnis zukommt, stehen die dort eingehenden Beträge nicht dem Insolvenzverwalter persönlich zu, sondern fallen in das Schuldnervermögen und damit in die Insolvenzmasse.

4. Mit der insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiung entsteht eine unvollkommene Verbindlichkeit, weil der fehlende Zwang zur Erfüllung dazu führt, dass eine Inanspruchnahme des Schuldners i.d.R. nicht mehr zu erwarten ist.

 

Normenkette

AO § 218; InsO §§ 80, 148; AO § 37 Abs. 2

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheides über einen zu Unrecht gezahlten Erstattungsbetrag.

Durch Beschluss vom 00.00.2009 eröffnete das Amtsgericht R (Aktenzeichen IN /09) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn E und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Der Kläger eröffnete im Rahmen des Insolvenzverfahrens unter der Nummer 1 bei der Bank 1 ein Konto auf den Kontoinhaber „Herr T, – Insolv.-Verw. E e.K.-, A-Straße 1, N”. Unter einer Massesteuernummer reichte er für die Steuerjahre 2009 und 2010 Steuererklärungen einschließlich Gewinnermittlungen für den Insolvenzschuldner bei dem Beklagten ein. Die Veranlagungen erfolgten antragsgemäß. Zum 31.12.2010 wurde ein verbleibender Verlustvortrag in Höhe von X € festgestellt.

Die Veranlagung für 2011 führte zu einer Erstattung in Höhe von insgesamt X €. Davon wurde ein Teil mit Masseforderungen verrechnet und der Rest in Höhe von insgesamt X € (Einkommensteuer X €, Zinsen X €, Kirchensteuer X €, Solidaritätszuschlag X €) im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf das Insolvenzkonto des Klägers bei der Bank 1 (Nr. 1) überwiesen.

Mit Beschluss vom 00.00.2014 hob das Amtsgericht R das Insolvenzverfahren auf. Dem Insolvenzschuldner erteilte das Amtsgericht R durch Beschluss vom 00.00.2015 Restschuldbefreiung. Dadurch ergab sich ein Sanierungsgewinn, der auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe im Jahr 2009 zurückwirkte. Auf den an den vormaligen Insolvenzschuldner als Inhaltsadressaten gerichteten, bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 18.09.2018 wird Bezug genommen. Der Beklagte verrechnete die Verluste aus den Jahren 2009 und 2010 mit der Folge mit dem Sanierungsgewinn, dass zum 31.12.2010 kein verbleibender Verlustvortrag mehr bestand.

Daraufhin änderte der Beklagte den Steuerbescheid für 2011 unter dem 19.09.2018 und forderte mit dem streitbefangenen, auf § 37 Abs. 2 i.V.m. § 218 der Abgabenordnung (AO) gestützten Bescheid insgesamt X € (Einkommensteuer X €, Zinsen X €, Kirchensteuer X €, Solidaritätszuschlag X €) vom Kläger zurück. Zur Begründung führte er aus, das damalige Guthaben sei auf das Anderkonto des Klägers als Insolvenzverwalter überwiesen worden. Damit hätten die Zahlungen rechtlich dem Insolvenzverwalter zugestanden und seien von ihm persönlich zurückzufordern.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger Einspruch. Ein Rückforderungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO könne nur gegen den Leistungsempfänger gerichtet sein. Leistungsempfänger sei der, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei. Der Insolvenzverwalter sei nicht Leistungsempfänger, sondern nach allgemeiner Auffassung nur gesetzlicher Vertreter im Rahmen des Insolvenzverfahrens.

Bei Erlass des Bescheides sei das Insolvenzverfahren im Übrigen bereits aufgehoben gewesen. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens habe der vormalige Insolvenzschuldner grundsätzlich für Masseverbindlichkeiten einzustehen.

Nachdem der Beklagte den Kläger auf die Rechtslage bei Überweisung auf ein Anderkonto des Verwalters hingewiesen hatte, trug der Kläger vor, er habe kein Anderkonto, sondern ein Sonderkonto errichtet. Zahlungen auf ein Sonderkonto fielen in das Schuldnervermögen und stünden damit dem Verwalter nicht persönlich zu. Die Beträge auf dem Sonderkonto seien entsprechend nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens an die Insolvenzgläubiger verteilt worden.

Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 08.04.2019 als unbegründet zurück.

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO habe derjenige, auf dessen Rechnung ei...

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