Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bindungswirkung eines gegenüber einer GbR erlassenen Feststellungsbescheids über die Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen für die Einkommensteuer des Gesellschafters. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 1/24)

 

Leitsatz (redaktionell)

Die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen in einem gegenüber der GbR erlassenen Feststellungsbescheid entfaltet auch Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung der am Vermögen der GbR beteiligten Gesellschafter, da sich sowohl die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte als auch die Einkommensteuerfestsetzung an die Gesellschafter als Inhaltsadressaten richtet. Die Sichtweise, dass die Feststellung der Steuerpflicht lediglich für die – von der GbR geschuldete – Kapitalertragsteuer bindend sein soll, würde dem gesetzgeberischen Zweck der gesonderten Feststellung (frühzeitig Klärung der Steuerpflicht) entgegenlaufen.

 

Normenkette

EStG § 32d Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht einen Änderungsantrag betreffend die Einkommensteuerfestsetzung für 2011 abgelehnt hat. Wesentlicher Streitpunkt ist die Frage, ob ein Feststellungsbescheid über die Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen Bindungswirkung für den Kläger hat, wenn dieser Bescheid nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber einer GbR erlassen wurde, an deren Vermögen der Kläger im Streitjahr beteiligt war.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war bis zum Streitjahr am Vermögen der im Jahr 1995 gegründeten Immobilienfonds GbR (GbR) beteiligt (zuletzt zu 16.129/1.000.000; rd. 1,61 %).

Diese errichtete in A-Stadt sechs Gebäude mit insgesamt 113 Wohneinheiten, aus denen sie in der Folgezeit Vermietungseinkünfte erzielte. Zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten schloss die GbR im Dezember 1995 zwei Darlehensverträge bei der A-Bank und bei der B-Bank ab. Die miteinander kooperierenden Kreditinstitute zahlten die Darlehen jeweils unter Einbehalt eines 10%igen Damnums aus (A-Bank: Darlehensbetrag: 14,5 Mio. DM, Disagio: 1,45 Mio. DM, Auszahlungsbetrag: 13,05 Mio. DM; B-Bank: Darlehensbetrag: 14 Mio. DM, Disagio: 1,4 Mio. DM; Auszahlungsbetrag: 12,6 Mio. DM).

Ebenfalls im Dezember 1995 schloss die GbR als Versicherungsnehmerin vier Kapitallebensversicherungen bei der X-Lebensversicherung AG ab. Die Auszahlungen im Erlebensfall sollten 15.364.386 DM betragen. Versicherungsbeginn war der 01.12.1995. Die Laufzeit betrug jeweils 16 Jahre. Die GbR trat die Ansprüche aus den Kapitallebensversicherungen i. H. v. 14,5 Mio. DM, d. h. in Höhe des Nennbetrags der Darlehen inkl. Disagio, an die A-Bank zur Sicherheit ab. Ferner trat die GbR die Lebensversicherungsansprüche in Höhe des Nettokreditbetrags von 12,6 Mio. DM zweitrangig an die B-Bank zur Sicherung deren Darlehensrückzahlungsanspruchs ab.

Nach entsprechender Anzeige der A-Bank stellte der Beklagte gemäß § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) vom 19. Dezember 1986 (BStBl I 1987, 2) i. d. F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO vom 16. Dezember 1994 (BStBl I 1995, 3) mit Bescheid vom 23.11.1998 gegenüber der GbR die Steuerpflicht der Zinsen aus den oben genannten Kapitallebensversicherungen gesondert fest. Durch die Abtretung der Versicherungsansprüche seien nicht nur die mit dem Darlehen der A-Bank finanzierten Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern auch das Disagio besichert worden. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Eine Klage wurde nicht erhoben.

Im Jahr 2005 vereinbarten die GbR und die A-Bank klarstellend, dass die Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen auf den noch verbliebenen Netto-kreditbetrag i. H. v. insgesamt 1.668.089 € begrenzt werde. Unter Hinweis darauf beantragte die GbR beim Beklagten, den gesonderten Feststellungsbescheid vom 23.11.1998 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben. Dies lehnte das Finanzamt ab und wies auch den hiergegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der gegen die Feststellungsbescheide (wegen Nichtigkeit) und den Ablehnungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobenen Klage machten die Gesellschafter der GbR – als Kläger – u. a. geltend, dass die Feststellungsbescheide nicht wirksam bekannt gegeben worden seien. Es liege lediglich eine gesonderte, allerdings nicht – wie erforderlich – auch eine einheitliche Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen vor. Die Bescheide seien an die GbR gerichtet, an der allerdings mehrere Personen beteiligt gewesen seien (Bl. 11 des Sonderbands Immobilienfonds GbR [Auszüge Rechtsbehelfe] des Beklagten).

Das Finanzgericht (FG) Münster...

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