rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Kenntnis von der Höhe einbehaltener Sozialversicherungsbeiträge

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird der Kindergeldkasse die genaue Höhe der von der Ausbildungsvergütung des Kindes einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge erst nach der Ablehnung der Kindergeldfestsetzung bekannt, rechtfertigt dieses eine Änderung nach § 70 Abs. 4 EStG unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 11.01.2005 - 2 BvR 167/02.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 70 Abs. 4

 

Tatbestand

I.

Zu entscheiden ist, ob zu Gunsten des Klägers (Kl.) noch Kindergeld festgesetzt werden kann.

Der Kl. ist der Vater des am 06.01.1985 geborenen Kindes C.. Von August 2001 bis Januar 2005 befand sich C. in einer Ausbildung zum Werkzeugmacher.

Mit Bescheid vom 12.12.2002 lehnte es die Beklagte (Bekl.) unter Hinweis darauf, dass C. im Januar 2003 sein 18. Lebensjahr vollende und die von ihm im Zeitraum Februar bis Dezember 2003 voraussichtlich erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit den für das Jahr 2003 maßgeblichen anteiligen Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i. H. v. 6.589,00 EUR (= 11/12 von 7.188,00 EUR) übersteigen würden, ab, zu Gunsten des Kl. auch für den Zeitraum ab Februar 2003 weiterhin Kindergeld für C. festzusetzen. Dabei ging die Bekl. auf der Grundlage einer Ausbildungsbescheinigung von C.s Ausbildungsbetrieb davon aus, dass C. im Zeitraum Februar bis Dezember 2003 voraussichtlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. H. v. … EUR erzielen werde. Bei ihrer Berechnung der voraussichtlichen Einkünfte C.s im Zeitraum Februar bis Dezember 2003 berücksichtigte die Bekl. die von C.s Ausbildungsvergütung einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge nicht. Auch die Ausbildungsbescheinigung von C.s Ausbildungsbetrieb enthielt hierzu keinerlei Angaben.

Der Bescheid vom 12.12.2002 wurde vom Kl. nicht angefochten.

Nachdem der Kl. von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 – 2 BvR 167/02 (NJW 2005, 1923) Kenntnis erlangt hatte, wandte er sich mit Schreiben vom 17.07.2005 an die Bekl. und beantragte, zu seinen Gunsten auch für den Zeitraum Februar 2003 bis Dezember 2004 noch Kindergeld für C. festzusetzen. Zur Begründung seines Antrags verwies er darauf, dass C.s Einkünfte und Bezüge unter Berücksichtigung der von dessen Ausbildungsvergütung einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträge (Februar bis Dezember 2003: … EUR; 2004: … EUR) die jeweils maßgeblichen Grenzbeträge von 6.589,00 EUR (Februar bis Dezember 2003) bzw. 7.680,00 EUR (2004) nicht überstiegen hätten.

Mit Bescheid vom 05.08.2005 setzte die Bekl. daraufhin zu Gunsten des Kl. wieder Kindergeld für C. fest, allerdings erst mit Wirkung ab Januar 2004. Die Festsetzung von Kindergeld bereits ab Februar 2003 lehnte sie unter Hinweis auf die Bestandskraft ihres Bescheides vom 12.12.2002 ab.

Hiergegen richtet sich die von dem Kl. nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.

Er ist der Auffassung, dass die ablehnende Entscheidung vom 12.12.2002 vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht länger aufrecht erhalten werden könne. Gegenüber der von ihm erstrebten Festsetzung von Kindergeld für C. bereits mit Wirkung ab Februar 2003 könne sich die Bekl. im Hinblick auf die Regelung des § 70 Abs. 4 EStG auch nicht mit Erfolg auf die Bestandskraft ihres Bescheides vom 12.12.2002 berufen.

Der Kl. beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 05.08.2005, soweit damit eine Festsetzung von Kindergeld für C. mit Wirkung ab Februar 2003 abgelehnt wurde, und die Einspruchsentscheidung (EE) vom 28.09.2005 aufzuheben und die Bekl. zu verpflichten, zu seinen Gunsten Kindergeld für C. bereits mit Wirkung ab Februar 2003 festzusetzen.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der von dem Kl. erstrebten Festsetzung von Kindergeld für C. mit Wirkung ab Februar 2003 bereits die Bestandskraft des Bescheides vom 12.12.2002 entgegenstehe. Denn auch negative Prognoseentscheidungen würden „Bestandskraft” bis einschließlich ihres Bekanntgabemonats entfalten.

Eine Änderung des Bescheides vom 12.12.2002 allein wegen der von C. im Zeitraum Februar bis Dezember 2003 entrichteten Sozialversicherungsbeiträge werde auch nicht durch die Regelung des § 70 Abs. 4 EStG ermöglicht. Denn eine Änderung der Rechtsauffassung durch die Rechtsprechung sei kein nachträgliches Bekanntwerden im Sinne dieser Vorschrift. Die Vorschrift des § 70 Abs. 4 EStG könne im Streitfall vielmehr nur dann zur Anwendung kommen, wenn nachträglich bekannt würde, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes C. – exklusive der Sozialversicherungsbeiträge – den maßgeblichen Grenzbetrag unterschritten.

Vor diesem Hintergrund sei es daher auch unerheblich, zu welchem Zeitpunkt dem zuständigen Bearbeiter die genaue Höhe der von C. im Zeitraum Februar bis Dezember 2003 erzielten Einkünfte und Bezüge bekannt geworden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die von...

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