Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ein in Ausbildung befindliches behindertes Kind
Leitsatz (redaktionell)
Ein behindertes Kind ist erst dann imstande sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreicht. Der Grundbedarf kann sich für die Jahre 1997 und 1998 nach dem am Existenzminimum eines Alleinstehenden orientierten Betrag von 12.000 DM bzw. 12.360 DM richten. Für den behinderungsbedingten Mehrbedarf kann bei fehlendem Einzelnachweis der maßgebliche Behindertenpauschbetrag nach § 33b EStG als Anhalt dienen..
Normenkette
EStG 1997 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, § 63 Abs. 1, § 33b
Tatbestand
Der am 09.12.1978 geborene Sohn C des Klägers (Kl.) ist seit dem Jahr 1984 behindert mit einem Grad der Behinderung von 50 und mit dem Merkzeichen H. In der Zeit vom 01.08.1996 bis 15.09.1997 befand sich der Sohn in einem Ausbildungsverhältnis als Tischler bei der Firma H H. Nachdem er diese Ausbildung abgebrochen hatte, war er vom 22.09.1997 an zunächst als Hilfsarbeiter bei der Firma V tätig und ab Januar 1998 in einem Ausbildungsverhältnis bei dieser Firma. Nach den von dem Kl. eingereichten Einkommensteuer(ESt)- Bescheiden für den Sohn erzielte dieser Bruttoarbeitslöhne im Kalenderjahr 1997 in Höhe von 16.574 DM und im Kalenderjahr 1998 in Höhe von 21.475 DM.
Nachdem das Arbeitsamt von der Höhe der Einkünfte des Sohnes des Kl. Kenntnis erlangt hatte, hob es die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn C durch Bescheid vom 08.07.1999 ab dem Monat Januar 1997 auf. Darüber hinaus forderte es den für die Zeit von Januar bis Dezember 1997 gezahlten Betrag an Kindergeld in Höhe von 2.640 DM zurück. Durch weiteren Bescheid vom 08.07.1999 hob es die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 1998 auf und forderte den für Januar bis Juli 1998 gezahlten Betrag an Kindergeld in Höhe von 1.540 DM zurück. Gegen diese Bescheide legte der Kl. am 05.08.1999 Einsprüche ein. Diese wurden durch die Einspruchsentscheidungen (EEn) des Arbeitsamtes vom 13.08.1999 und 13.10.1999 als unbegründet zurückgewiesen.
In den EEn ist im Wesentlichen ausgeführt, ein über 18 Jahre altes Kind könne gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 Einkommensteuergesetz (EStG) beim Kindergeld nur berücksichtigt werden, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhaltes oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien, von nicht mehr als 12.000 DM im Kalenderjahr habe. Der Gesamtbetrag der Einkünfte des Sohnes des Kl. habe im Jahre 1997 12.574 DM und im Jahr 1998 17.347 DM betragen und damit die maßgeblichen Grenzbeträge überschritten. Dem Kl. stehe auch kein Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu. Der Sohn C sei nicht wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten. Er sei für einen Beruf ausgebildet worden und daher in der Lage, durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Gegen diese EEn hat der Kl. Klage erhoben. Hiermit macht er geltend, der Sohn C sei außerstande, sich selbst zu unterhalten. Ihm stehe daher Kindergeld für dieses Kind zu. Ein Kind sei regelmäßig außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn die eigenen Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes bestimmt oder geeignet seien, im Jahre 1997 12.000 DM im Kalenderjahr nicht überschritten hätten. Bei einem behinderten Kind erhöhe sich dieser Betrag um den Behindertenpauschbetrag gemäß § 33b Abs. 3 EStG. Diesen maßgeblichen Grenzbetrag hätten die Einkünfte des Sohnes C in den Kalenderjahren 1997 und 1998 nicht überschritten.
Der Kl. beantragt,
die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 08.07.1999 für 1997 und Januar bis Juli 1998 aufzuheben.
Das Arbeitsamt beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise, für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Es ist der Auffassung, daß der Grenzbetrag der unschädlichen Einkünfte des behinderten Kindes nicht um den Behindertenpauschbetrag gemäß § 33b Abs. 3 EStG zu erhöhen sei. Der Sohn C sei nicht außerstande, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies zeige der bisherige berufliche Werdegang des Sohnes. Trotz der Behinderung sei der Sohn in der Lage, Ausbildungsmöglichkeiten auf dem allgemein zugänglichen Arbeitsmarkt wahrzunehmen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die EEn und die Kindergeldakte verwiesen. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 22.05.2001 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen Klagen, die gemäß § 73 Abs. 1 FGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, sind begründet.
Die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 08.07.1999 sind rechtswidrig, da dem Kl. gemäß §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2, 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG für seinen Sohn C Kindergeld für das Kalenderjahr 1997 und für die Monate Januar - Juli 1998 zusteht. Dieses Kind des Kl. ist wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu u...