Entscheidungsstichwort (Thema)

Günstigerprüfung, Antragsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Ungeachtet der noch ungeklärten Frage, ob ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG auch noch nach Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung zulässig ist, kann eine Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit dem individuellen Steuersatz jedenfalls noch in den Grenzen des Änderungsrahmens des § 351 AO erfolgen.

 

Normenkette

AO 351 Abs. 1; EStG § 32d Abs. 6 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, bis zu welchem Zeitpunkt ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestellt werden kann. Zudem ist darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 der Abgabenordnung (AO) vorliegen.

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind kirchensteuerpflichtig. In ihrer im Mai 2011 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 erklärten die Kläger jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Klägerin zudem solche aus Gewerbebetrieb. Eine Anlage KAP reichten die Kläger nicht ein.

Der Beklagte folgte den Erklärungen der Kläger und setzte mit Bescheid vom 06.07.2011 die Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer für das Streitjahr 2010 auf jeweils EUR Null fest. Nach Anrechnung von Lohnsteuer, Lohnkirchensteuer, Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer sowie von Vorauszahlungen ergab sich für die Kläger ein Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt EUR 2.473,16.

Der Bescheid über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2010 vom 06.07.2011 wurde bestandskräftig.

Im Mai 2012 reichte der Kläger eine Steuerbescheinigung der V1-Versicherung ein, aus der sich ergibt, dass ihm am 01.08.2010 eine Lebensversicherung ausgezahlt wurde und hierbei gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtige Zinsen in Höhe von EUR 27.670,76 angefallen waren. Die abgeführte Kapitalertragsteuer betrug EUR 6.517,19, der Solidaritätszuschlag EUR 358,45. Der Kläger legte gegenüber dem Beklagten dar, dass ihm die Steuerbescheinigung bei „privaten Aufräumarbeiten” in die Hände gefallen sei und er es versäumt habe, die Kapitalerträge in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 anzugeben. Er beantragte sinngemäß eine nachträgliche Änderung des Steuerbescheides für das Jahr 2010.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19.06.2012 ab. Er verwies darauf, dass der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG fristgebunden sei und nur bis zum Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheides gestellt werden könne. Änderungsmöglichkeiten nach der Abgabenordnung lägen nicht vor. In dem Ablehnungsbescheid kündigte der Beklagte zudem an, dass alsbald der „Einkommensteuerbescheid für 2010” insofern geändert würde, als in Bezug auf die nacherklärten Kapitalerträge evangelische Kirchensteuer nacherhoben würde. Hierdurch änderten sich gleichzeitig auch die Einkommensteuerfestsetzung und der Solidaritätszuschlag (§ 32d Abs. 1 Satz 3 EStG).

Unter dem Datum des 27.06.2012 erließ der Beklagte eine nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Festsetzung über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2010. Hierin setzte er hinsichtlich der nacherklärten Kapitalerträge (EUR 27.670 ./. Sparer-Pauschbetrag in Höhe von EUR 1.602) nach Maßgabe von § 32d Abs. 1 EStG Einkommensteuer in Höhe von EUR 6.373 und Kirchensteuer in Höhe von EUR 553,57 sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von EUR 350,51 fest. Im Anrechnungsteil des geänderten Steuerbescheides berücksichtigte der Beklagte die einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von EUR 6.518 sowie den diesbezüglich einbehaltenen Solidaritätszuschlag in Höhe von EUR 358,45. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Bescheid Bezug genommen.

Der Kläger erhob sowohl gegen den Bescheid über die Ablehnung der Günstigerprüfung als auch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 27.06.2012 Einspruch. Zur Begründung führte er an, § 32d Abs. 6 EStG enthalte keine Frist zur Ausübung des Antragswahlrechts.

Der Beklagte wies beide Einsprüche in einer gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 06.09.2012 zurück, und zwar gegenüber beiden Klägern. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an:

Durch die Einführung der Abgeltungsteuer zum 01.01.2009 seien Kapitalerträge, die dem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug unterlägen, grundsätzlich nicht mehr erklärungspflichtig. Nach § 32d Abs. 6 EStG könnten Steuerbürger als Gläubiger der Kapitalerträge allerdings einen Antrag stellen, durch den die Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterlägen, in die Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen und -sofern dies günstiger sei – der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen seien. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei dieser Antrag allerdings nur bis zum Eintritt der Bestandskraft möglich (Hinweis auf BT-Drs. 16/4841, Seite 61).

Änderungsmöglichkeiten lägen nicht vor. Die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechts sei keine neue Tatsache im Sinne ...

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