Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts löst eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid aus.

 

Normenkette

GrEStG § 17; BewG § 151; AO § 171 Abs. 10

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.04.2023; Aktenzeichen II R 10/21)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob in einem Feststellungsbescheid nach § 17 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) als Grundlagenbescheid über eine Steuerbefreiung entschieden wurde und ob deshalb im streitgegenständlichen Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid zu Recht Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde. Zum anderen streiten sie über eine diesbezügliche Billigkeitsregelung.

Der Kläger, ein Kirchenkreis in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, war zunächst zu 50 % an der Evangelisches Kinderheim – Jugendhilfe I-Stadt und X-Stadt – gemeinnützige GmbH (im Folgenden: gGmbH) mit Sitz und Geschäftsleitung in I-Stadt beteiligt. Die gGmbH war und ist Eigentümerin bzw. Erbbauberechtigte mehrerer Grundstücke, die ganz überwiegend im Gebiet der Stadt I-Stadt und im Übrigen in D-Stadt und M-Stadt liegen. Der damalige Mitgesellschafter des Klägers, ein eingetragener Verein (im Folgenden: Verein), übertrug (nach seiner Auflösung und vertreten durch die Nachtragsliquidatoren) seinen 50 %-Anteil an der gGmbH mit Vertrag über die Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils vom 13.03.2013 (UR-Nr. xxx des Notars C., I-Stadt) auf den Kläger. Der Kläger war nicht Mitglied des Vereins.

Im Vertrag heißt es in § 3:

„Der Veräußerer tritt den Vertragsgegenstand mit sofortiger dinglicher Wirkung an den dies annehmenden Erwerber ab. Die Übertragung erfolgt in Folge der Auflösung des Veräußerers und in Auslegung des Beschlusses der Mitgliederversammlung vom 27.02.2002 in Verbindung mit den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung vom 25.10.2008 und vom 06.11.2008. Nach den vorgenannten Beschlüssen ist das Grundvermögen (Vermögen) auf den Erwerber zu übertragen.”

In der Satzung des Vereins heißt es in § 8: Bei Auflösung […] ist das Vereinsvermögen für steuerbegünstigte (diakonische) Nachfolgezwecke in X-Stadt zu verwenden.

Der Erwerbsvorgang wurde dem Beklagten am 26.03.2013 durch den Notar und am 27.03.2013 durch den Kläger angezeigt. Im Vertrag hieß es, dieser bedürfe der Genehmigung durch die Landeskirche in C-Stadt. Die Genehmigung wurde am 18.04.2013 erteilt. Der Notar teilte auf Nachfrage am 21.05.2013 mit, der Vertrag sei am 06.05.2013 rechtswirksam geworden. Der Kläger übersandte am 31.05.2013 eine Ausfertigung der Genehmigung vom 19.04.2013 in beglaubigter Kopie. Mit Schreiben vom 13.08.2013 hörte der Beklagte den Kläger an. In dem Schreiben heißt es: „Die Abtretung des Geschäftsanteils, durch die alle Anteile in Ihrer Hand vereinigt werden, unterliegt hinsichtlich des Grundbesitzes der Ev. Kinderheim und Jugendhilfe I-Stadt und X-Stadt gGmbH nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Als Bemessungsgrundlage sind die noch festzustellenden Grundbesitzwerte i.S. des § 138 Abs. 2 bis 4 Bewertungsgesetz (BewG) anzusetzen. In Kürze werden Ihnen die Erklärungsvordrucke für die entsprechenden Feststellungen zugesandt. Ich gebe Ihnen vorab Gelegenheit zu einer Stellungnahme (rechtliches Gehör).” In einem Telefonat, dessen Inhalt handschriftlich auf der Verfügung zu diesem Schreiben vermerkt ist, teilte Herr I., der in den Schreiben des Klägers als Ansprechpartner aufgeführt wurde, dem Beklagten telefonisch mit, er habe mit einer Grunderwerbsteuerpflicht gerechnet. Der Beklagte erläuterte ihm ausweislich des Vermerks „den weiteren Ablauf (ges. Feststellung etc.)”.

Am 25.09.2013 erging ein Feststellungsbescheid über Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer auf den 13.03.2013. Die Feststellung wurde laut den Ankreuzungen auf dem Bescheidformular getroffen, weil es sich um einen Anteilsübertragungsvertrag handelte, der sich auf mehrere Grundstücke bezog, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter lag, sowie weil es sich um eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG handelte. Der Bescheid wurde nicht angefochten. Nach Erlass des Bescheids fiel dem Beklagten (im Jahr 2014) auf, dass einige Grundstücke nicht erfasst worden waren. Nachdem der Kläger eine ergänzte Grundstücksliste übermittelt hatte, erging am 07.10.2014 ein nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderter Feststellungsbescheid, der Feststellungen auch zu diesen weiteren Grundstücken traf. Auch dieser Bescheid wurde nicht angefochten.

Beide Bescheide enthielten als Anlage (die im Bescheid und in der Anlage selbst als Bestandteil des Bescheids bezeichnet wird) ein mehrseitiges, ausgefülltes, tabellenförmiges Formular. In der Fußzeile wird dieses bezeichnet mit „Gesonderte Feststellung – Anlage gem. § 17 GrEStG 1983”. Die Zeilen der Tabelle enthielten die jeweiligen Grundstücke/Erbbaurechte. Die Spalten trugen folgende Überschriften:

Spalte 1: Lau...

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