Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit von Geldspielautomatenumsätzen, Emmott'sche Fristenhemmung; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Berufung auf das sog. "Emmott-Urteil" des EuGH bei Versäumung der Einspruchsfrist ist nicht möglich, denn der EuGH hat mehrfach klargestellt, dass der im Verfahren Emmott entwickelte Rechtsgrundsatz auf Fallkonstellationen der dort gegebenen Art beschränkt ist.

2. Ein bestandskräftiger Steuerbescheid ist - auch unter Berücksichtigung von Art. 10 EGV - nicht änderbar, wenn das nationale Recht hierfür, wie §§ 172 ff. AO, keine Rechtsgrundlage vorsieht.

3. Die Entscheidung über die Wiedereinsetzung ist keine Ermessensentscheidung. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, kommt - gerade auch bei Ablauf der Jahresfrist - eine Wiedereinsetzung aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht.

 

Normenkette

EGV Art. 10; AO § 110 Abs. 3, § 355 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Änderung bestandskräftiger USt-Festsetzungen aufgrund der EuGH-Entscheidung zur Steuerfreiheit von Geldspielautomatenumsätzen.

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren 1987 bis 2001 eine Spielhalle und erzielte dabei u.a. Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit.

Der Beklagte erließ für die Streitjahre folgende USt-Bescheide

(bei Erlass von mehre-ren Bescheiden für ein Streitjahr ist jeweils nur der zuletzt ergangene Bescheid aufgeführt), in denen die Einnahmen aus Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit der Umsatzsteuer unterworfen wurden:

Jahr

Abgabe der USt-Erklärung

Bescheid

festgesetzte USt

1987 bis 1992

keine Akten mehr vorhanden!

1993

15.02.1995

06.04.1995 Zustimmung

xxx DM

1994

15.11.1995

25.01.1996 Zustimmung

xxx DM

1995

19.12.1996

13.01.1997 Zustimmung

xxx DM

1996

10.10.1997

xxx DM

1997

11.12.1998

xxx DM

1998

03.09.1999

xxx DM

1999

01.12.2000

xxx DM

2000

09.08.2002

xxx EUR

2001

15.11.2002

xxx EUR

Die Festsetzungen wurden bestandskräftig.

Nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 17. Februar 2005 (Rs. C-453/02 und Rs. C-462/02 – Linneweber und Akritidis –, BFH/NV Beilage 2005, 94) legte die Klägerin mit Schreiben vom 17. März 2005 gegen sämtliche seit dem 1. November 1987 ergangenen USt-Bescheide Einspruch ein und beantragte, die Festsetzungen dahingehend zu ändern, dass Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielgeräten umsatzsteuerfrei zu belassen seien.

Für die Jahre 2000 und 2001 reichte sie geänderte USt-Erklärungen ein, in denen steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze erklärt wurden und auf die Bezug genommen wird.

Zur Begründung führte sie aus, dass der Einspruch – unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 25. Juli 1991 Rs. C-208/90 – Emmott – (Slg. 1991, I-4269, HFR 1993, 137, UR 1993, 315) – zulässig sei, denn die Rechtsbehelfsfrist sei gehemmt, da Art. 13 Teil B Buchtst. f der 6. EG-RL nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden sei.

Bezüglich der Jahre 1987 bis 2001 verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2007 den Einspruch unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 23. November 2006 (V R 51/05, BStBl II 2007, 433 und V R 67/05, BStBl II 2007, 436) als unzulässig.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Festsetzung der USt für die Jahre 1987 bis 2001 unter Beachtung der USt-Freiheit für Einnahmen aus Glücksspielen. Sie vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die zu Unrecht erhobene Umsatzsteuer zurückzuerstatten sei. Es sei insoweit weder die Einspruchsfrist abgelaufen noch Festsetzungsverjährung eingetreten; diese Fristen hätten wegen der nichtordnungsgemäßen Umsetzung der maßgebenden Befreiungsvorschrift der 6. EG-RL in nationales Recht noch nicht einmal zu laufen begonnen. Es sei dem bei der Umsetzung säumigen Mitgliedsstaat verwehrt, sich insoweit auf den Ablauf nationaler Verfahrensfristen zu berufen. Die Fristen begännen erst mit der korrekten Umsetzung in nationales Recht. Eine solche Umsetzung sei bisher im Hinblick auf die Steuerbefreiung von Geldspielen mit Gewinnmöglichkeit nicht erfolgt. Durch die Nichtumsetzung der entsprechenden Befreiungsvorschrift in nationales Recht mache es der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen bereits tatsächlich und rechtlich unmöglich, zu erkennen, welche Rechte letzterer tatsächlich habe. Der Steuerpflichtige dürfe darauf vertrauen, dass nationale Gesetze höherrangigem Recht entsprächen und müssten keinen Anlass zu Zweifeln an dieser Rechtslage haben.

Zur weiteren Begründung verweist sie insbesondere auf die EuGH-Urteile in Sachen Emmott (vom 25. Juli 1991 Rs. C-208/90, a.a.O.), Fantask (vom 2. Januar 1997 Rs. C-188/95, Slg. 1997, I-6783) und Steenhorst-Neerings (vom 27. Oktober 1993 Rs. C-338/91, Slg. 1993, I-5475)

Bezüglich der Festsetzungsverjährung des Anspruchs sei § 171 Abs. 1 AO heranzuziehen. Aufgrund der richtlinienwidrigen Umsetzung sei es ihr nicht möglich gewesen, ihre Rechte zu erkennen. Sie sei durch übergeordneten Zwang daran gehindert gewesen, ihre Rechte wahrzunehmen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf ...

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