Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung der Steuerfestsetzung: Zurechnung groben Verschuldens des Steuerberaters und offenbare Unrichtigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Änderung einer bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet wegen zuzurechnenden Verschuldens des bei der Anfertigung mitwirkenden Steuerberaters aus, wenn die Beiträge des Rechtsanwalts zum Versorgungswerk entsprechend der Erklärung berücksichtigt wurden, dort aber versehentlich in einer falschen Zeile eingetragen worden waren.

2) Ist für das FA aufgrund der beigefügten Unterlagen nicht erkennbar, dass es sich bei den Beiträgen an das berufsständische Versorgungswerk der Rechtsanwälte um Beiträge an eine Versorgungseinrichtung handelt, die der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Leistungen erbringt, kommt auch keine Änderung wegen offenbarer Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO in Betracht.

 

Normenkette

AO §§ 129, 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.10.2016; Aktenzeichen X R 1/14)

BFH (Urteil vom 26.10.2016; Aktenzeichen X R 1/14)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Antrag auf Änderung von Einkommensteuerbescheiden für 2006 bis 2008 zu Recht abgelehnt worden ist.

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er ist Beteiligter an der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltspartnerschaft Dr. T. und Q..

Die Steuererklärungen zur Einkommensteuer für die Streitjahre wurden nach den Angaben auf den Erklärungsvordrucken unter Mitwirkung der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltspartnerschaft gefertigt. Den Erklärungen war jeweils ein Anschreiben (vgl. z.B.: Schreiben vom 27.2.2009) beigefügt, dass Rückfragen an den Steuerberater Dr. T. zu richten seien. In den Steuererklärungen erklärte der Kläger jeweils Rentenversicherungsbeiträge ohne Kapitalwahlrecht an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Vom Versorgungswerk der Rechtsanwälte war nach seinen Angaben im September 2004 über die verbesserte Abziehbarkeit seiner Beiträge als Sonderausgaben mit Berechnungsbeispielen hingewiesen worden.

Die Leistungen erfasste er in der Zeile 74 (2006 Zeile 72) des jeweiligen Erklärungsvordrucks. In dieser Zeile sind nach dem Vordruck Rentenversicherungsbeiträge ohne Kapitalwahlrecht und Laufzeitbeginn und erster Beitragszahlung vor dem 01.01.2005 (steuerpflichtige Beiträge zur Versorgungs- und Pensionskassen) einzutragen. Zutreffend wäre eine Eintragung in Zeile 62 des Vordrucks gewesen, denn dort sind – wie in der Zeile 62 ausgeführt – die Beiträge zu landwirtschaftlichen Alterskassen sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen bei Nichtarbeitnehmern, die – wie im Streitfall vorliegend – den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen, einzutragen.

Der Beklagte führte die Veranlagungen für die Streitjahre unter Zugrundelegung der Eintragungen des Klägers durch. Die entsprechenden Steuerfestsetzungen datierten vom 28.08.2008 (2006) und vom 13.03.2009 (2007 und 2008). Auf den vom Kläger eingereichten Kopien der Steuerbescheide befindet sich jeweils ein Eingangsvermerk der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltspartnerschaft (Eingänge am 29.09.2008 und am 16.03.2009), auf welchen die eingestempelten Punkte „Zugeordnet” und „Geprüft” abgezeichnet wurden.

Mit Schreiben vom 03.03.2011 beantragte der Kläger eine Änderung der Steuerfestsetzungen 2006 bis 2008 wegen der unzutreffenden Erfassung der Rentenversicherungsbeiträge. Der Beklagte lehnte dies ab. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger ist der Meinung, dass die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 129 Abgabenordnung (AO) gegeben seien. Eine Berichtigung nach § 129 AO ermöglichende offenbare Unrichtigkeit sei gegeben, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Dies sei im Streitfall erfolgt. Die Unrichtigkeit sei offenbar, da sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung des Klägers und deren Anlagen für das jeweils betreffende Veranlagungsjahr ergeben habe. Die offenbare Erkennbarkeit sei gegeben, da sich die Art der Vorsorgeaufwendungen aus dem Hinweis auf das Versorgungswerk ergeben habe. Die Kenntnis, dass es sich um erhöht abzugsfähige Vorsorgeaufwendungen handele, sei zu unterstellen, da das Versorgungswerk im Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 07.02.2007 IV C 8-S 2221-128/06 auch aufgeführt sei. Es habe daher ein einfach erkennbarer Fehler vorgelegen, bei dem die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen gewesen sei.

Desweiteren hätten im Streitfall auch die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorgelegen. Die Beitragszahlungen an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte seien eine Tatsache im Sinne des § 173 AO. Über die tatsächliche Kenntnis des Bearbeiters über diese Beitragszahlungen gebe die Steuerakte keinen Aufschluss. So sei kein Geprüft-Vermerk oder ein Haken vorhanden, der die Kenntnisnahme des Bearbeiters dokumentiere. Daher s...

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