Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die zu § 129 AO entwickelten Grundsätze gelten auch bei Eingabefehlern, die dem FA im Rahmen der Bearbeitung einer elektronischen Steuererklärung unterlaufen sind.

2) Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Eingabefehlers und eines mechanischen Versehens ist gegeben, wenn sich aus den Erläuterungen zum Bescheid eine von der Erklärung abweichende Besteuerungsgrundlage ergibt, die auch aus den Akten des FA durch handschriftliche Korrektur der vom Stpfl. erklärten Werte hervorgeht, deren elektronische Übernahme dann jedoch unterblieben ist.

 

Normenkette

AO § 129 S. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Änderbarkeit eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr 2014.

Die Kläger werden unter der Steuernummer 1 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit und Einkünfte aus Kapitalvermögen, die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger war als niedergelassener Arzt und Gutachter tätig.

Am 26.10.2015 reichten die Kläger beim Beklagten für das Streitjahr eine Einkommensteuererklärung ein. Diese übermittelten sie elektronisch per „ELSTER” und reichten einen unterschriebenen Ausdruck zusammen mit allen Anlagen und Belegen in Papierform ein. Sie erklärten u.a. Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit i.H.v. 437.633 €, die sich auf seine Tätigkeit als Neurologe i.H.v. 240.021 € und auf eine Gutachtertätigkeit i.H.v. 197.612 € aufteilten. Hierbei reichte der Kläger beim Beklagten für diese beiden Tätigkeitsbereiche zwei separate Anlagen EÜR mit Einnahmeüberschussrechnungen nach § 4 Abs. 3 des EinkommensteuergesetzesEStG – auf amtlichem Vordruck elektronisch und in Papierform ein. Die Anlage EÜR für die Tätigkeit als Neurologe wies Betriebseinnahmen von 438.566,99 €, Betriebsausgaben von 198.545,83 € und einen Gewinn von 240.021,16 € aus. Die Anlage EÜR für die Tätigkeit als Gutachter enthielt Betriebseinnahmen von 275.140,49 €, Betriebsausgaben von 77.527,59 € und einen Gewinn von 197.612,90 €.

Im Vorjahr 2013 hatte der Kläger ebenfalls Einnahmen aus seinen Tätigkeiten als Neurologe und als Gutachter erzielt und diese in einer einheitlichen Anlage EÜR gegenüber dem Beklagten erklärt. Erstmals für das Streitjahr 2014 erstellte er zwei separate Anlagen EÜR. Dabei übertrug er die Anlage EÜR für die Tätigkeit als Neurologe unter Verwendung seiner Steuernummer 1. Die Anlage EÜR für die Gutachtertätigkeit war nicht mit einer Steuernummer, sondern mit dem „Ordnungsbegriff 1” versehen. Der Beklagte vergab hierfür die Steuernummer 2. Die in Papier eingereichten Anlagen EÜR legte der Beklagte in zwei separaten Bilanzakten mit den Steuernummern 1 und 2 ab.

Der Sachbearbeiter des Beklagten im Veranlagungsbezirk, Herr J., bearbeitete die Steuererklärung der Kläger, die in die Risikoklasse 1 eingestuft war. Er nahm verschiedene handschriftliche Änderungen vor. In der Anlage EÜR mit der Steuernummer 1 (Tätigkeit als Neurologe) nahm er drei Änderungen vor, die aber auf die Höhe des Gewinns (240.021,16 €) keinen Einfluss hatten. Ebenfalls unter der Steuernummer 1 erhielt der Sachbearbeiter am 29.10.2015 in einer „Hinweismitteilung Anlage EÜR 2014” (Seite 16 der Bilanzakte) maschinelle Risiko- und Nachbearbeitungshinweise, wonach die maschinell ermittelte Umsatzsteuer von den in der Anlage EÜR erklärten Werten abweiche. Aus einem an demselben Tag erstellten Kontoauszug ergab sich, dass der Kläger am 10.1.2014 einen Betrag von 3.221,66 € Umsatzsteuer gezahlt hatte, der sich auf den Monat November 2013 bezog (Seite 17 der Bilanzakte). Der Sachbearbeiter des Beklagten notierte daraufhin handschriftlich auf der „Hinweismitteilung Anlage EÜR 2014” zu dem genannten Risiko-Hinweis: „berichtigt (USt 11/13 ist in 2013 zu berücksichtigen) alles unter Steuernummer 2!”.

In der Anlage EÜR mit der Steuernummer 2 (Gutachtertätigkeit) nahm der Sachbearbeiter keine handschriftlichen Änderungen vor. Auf einer unter der Steuernummer 2 am 29.10.2015 erzeugten „Hinweismitteilung Anlage EÜR 2014” (Seite 1 der Bilanzakte) notierte er zu dem erhaltenen Risiko-Hinweis, dass eine maschinelle Überprüfung der Eingaben zur gezahlten und erstatteten Umsatzsteuer nicht möglich sei, handschriftlich: „siehe Hinweis (10-Tage-Regelung) unter 5140/0530”. Auf derselben „Hinweismitteilung Anlage EÜR 2014” strich er den maschinell erfassten Gewinn i.H.v. 197.612,90 € handschriftlich durch und ersetzte ihn durch die Zahl „200 834,55”.

Auf den jeweiligen Rückseiten der beiden Anlagen EÜR unterzeichneten der Sachbearbeiter am 30.10.2015 und ein Sachgebietsleiter am 2.11.2015 mit ihren Paraphen.

In der ausgedruckten Einkommensteuererklärung der Kläger, die in der vom Beklagten geführten Einkommensteuerakte abgelegt worden war, nahm der Sachbearbeiter ebenfalls handschriftlich folgende Änderungen vor: In der Anlage S der Einkommensteuererklärung strich ...

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