Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Änderung eines Kindergeld-Aufhebungsbescheids für Januar bis Mai 2005 wegen Bekannt Werden des BVerfG-Beschl. vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02, NJW 2005, 1923 = FR 2005, 706 ist möglich

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Gewährung von Kindergeld ist trotz eines bereits bestandskräftigen Aufhebungsbescheids für Januar 2005 bis Mai 2005 gleichwohl möglich, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG in 2005 nur deshalb unterschreiten, weil die Entscheidung des BVerfG vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02, NJW 2005, 1923 = FR 2005, 706 noch nicht bekannt war. Der Aufhebungsbescheid ist wegen "neuer Tatsachen" gem. § 70 Abs. 4 EStG zu ändern (a.A. FG Münster, Beschl. v. 16.3.2006 - 14 K 5049/05 Kg, n.v.).

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 70 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen III R 67/06)

BFH (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen III R 67/06)

 

Tatbestand

Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 02.05.2005 die Festsetzung von Kindergeld für das am 14.03.1985 geborene, sich in der Berufsausbildung befindende Kind F ab Januar 2005 aufgehoben. Zur Begründung hatte sie darauf verwiesen, dass die Einkünfte voraussichtlich oberhalb der maßgeblichen Einkunftsgrenze liegen würden. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 12.10.2005 beantragte der Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 (2 BvR 167/02) zur Abzugsfähigkeit der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung erneut die Festsetzung von Kindergeld für F ab Januar 2005. Für den Zeitraum Juni 2005 bis November 2005 setzte die Beklagte durch Bescheid vom 16.11.2005 Kindergeld für F fest. Eine Festsetzung für die Monate Januar bis Mai 2005 lehnte sie unter Hinweis auf den Bescheid vom 02.05.2005 ab. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dürfe Kindergeld erst vom Monat nach Bekanntgabe des ursprünglichen, bestandskräftigen Bescheides festgesetzt werden. Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos. In der Begründung der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2006 wies die Beklagte darauf hin, die Tatbestandsvoraussetzungen der Korrekturvorschriften, nach denen die Bestandskraft des Aufhebungsbescheides vom 02.05.2005 durchbrochen werden könnte, lägen nicht vor. Insbesondere scheide eine Korrektur nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus, weil eine nachträgliche Änderung der Rechtsprechung oder eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde keine neue Tatsache i.S. von § 173 AO sei.

Die Beklagte ging von folgenden Einkünften und Bezügen der sich in der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin befindenden Tochter aus:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit:

01.01.-30.09.2005

822,51 EUR ./. 171,08 EUR AN-Ant. SV – 651,43 EUR × 9 Monate

5.862,87 EUR

01.10.-31.12.2005

918,38 EUR ./. 191,02 EUR AN-Ant. SV = 727,36 EUR × 3 Monate

2.182,08 EUR

Urlaubsgeld 100 EUR ./. 20,80 EUR AN-Ant. SV

79,20 EUR

./. Arbeitnehmer-Pauschbetrag

920,00 EUR

Einkünfte

7.204,15 EUR

Grenzbetrag

7.680,00 EUR

Mit Schreiben vom 23.02.2006 erhob der Kläger gegen die Einspruchsentscheidung Klage und verfolgt sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 sei nicht nach der Verwaltungsentscheidung, sondern bereits fast vier Monate vorher ergangen und noch vor Ablauf der Einspruchsfrist veröffentlicht worden. Die Beklagte habe das geltende Recht falsch angewendet.

Im Übrigen sei der Bescheid vom 02.05.2005 nicht bestandskräftig geworden. Der Kläger habe sich am 23.05.2005 telefonisch mit der Beklagten in Verbindung gesetzt und unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht mündlich beantragt, Kindergeld für F festzusetzen. Insoweit werde auf den Einzelverbindungsnachweis verwiesen. Darüber hinaus sei der Kläger vor Ablauf der Einspruchsfrist persönlich in den Räumen der Beklagten gewesen und habe die Sachbearbeiterin aufgefordert, den Bescheid vom 02.05.2005 aufzuheben. Jedenfalls sei deutlich geworden, dass der Kläger den Bescheid vom 02.05.2005 nicht habe hinnehmen wollen. Die Sachbearbeiterin der Beklagten sei nach dem Telefonat und wegen der persönlichen Vorsprache nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, den Kläger aufzuklären, wie ein formgültiger Einspruch zu erheben sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 16.11.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, gegenüber dem Kläger für das Kind F F für die Monate Januar bis Mai 2005 Kindergeld in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen den Vortrag aus dem Vorverfahren. Die Angaben des Klägers, er habe telefonisch und persönlich gegenüber der Sachbearbeiterin der Beklagten auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen, sei widersprüchlich und als Schutzbehauptung zu werten. Im Übrigen existierten weder über das Telefonat noch über die persönliche Vorsprache Aktenvermer...

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