Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietung von Europaletten als Umlaufvermögen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Unternehmen, dessen Unternehmensgegenstand darin besteht Ladungsträger - darunter u.a. Europaletten/Gitterboxen (Gibo) - zu erwerben und alsbald wieder zu verkaufen, nicht aber diese langfristig zu vermieten, hat die angeschafften Gibo dem Umlaufvermögen zuzuordnen.

2. Eine erfolgswirksame Aktivierung der Gibo als Sachdarlehensforderung kommt nicht in Betracht.

3. Die Abnutzung der Gibo während der Nutzungsüberlassung führt nicht zu einer faktischen Widmung der Gibo zu Anlagevermögen.

 

Normenkette

HGB § 247 Abs. 2; EStG § 6

 

Tatbestand

Streitig ist, ob gegen Entgelt zur Nutzung überlassene Ladungsträger als geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) des Anlagevermögens nach § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Jahr der Anschaffung erfolgsmindernd abzuschreiben sind oder ob insoweit eine Aktivierung als Sachdarlehensforderung im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 2012 bis 2014 bzw. der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung für 2011 bis 2014 zu erfolgen hatte, als die Ladungsträger am Jahresende noch Kunden überlassen waren.

Der Kläger ist Inhaber der Firma „Firma A”, die ihren Geschäftssitz in T-Stadt hat. Das Unternehmen betreibt einen Handel mit sowie den Tausch und die Vermietung von standardisierten Ladungsträgern, d. h. Europaletten, genormten DB-Gitterboxen (künftig: Gibo), H1-Paletten sowie E2-Fleischkisten. Der Kläger verfügt weder über ein eigenes Warenlager noch über einen Fuhrpark. Nach Angaben des Klägers entfallen von den Umsatzerlösen in den Streitjahren durchschnittlich ca. 84,5 % auf den Kauf/Handel mit Ladungsträgern, 11,3 % auf den Tausch und 3,5 % auf die Miete sowie auf Sonstiges (Fracht/Reparatur) 0,6 %.

Die Gibo sind genormte Ladungsträger, die mit einer individuellen Y-Nummer der European Pallet Association e. V. (EPAL) versehen sind. Nach Angaben der EPAL bildet ihre Arbeit, die Arbeit ihrer Nationalkomitees und Lizenznehmer das stabile Fundament für den erfolgreichen, offenen Plattenpool und ermöglicht den globalen Tausch von EPAL-Ladungsträgern. Im Geschäftsverkehr werden Gibo der Handelsklasse 1 / I. Wahl (= neu oder neuwertig) und Handelskasse 2 / II. Wahl (gebraucht aber tauschfähig) unterschieden.

Die jeweiligen Y-Nummern wurden beim Kauf der Gibo vom Kläger nicht erfasst.

Nach Angaben in den Erläuterungen (Lagebericht) zu der Bilanz des Streitjahres 2011 war der Bestand an Gibo „zum Jahresende im Tausch oder in der Vermietung beim Kunden”. Die Sofortabschreibung der Gibo (als geringwertige Wirtschaftsgüter – GWG – gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG) wurde nicht über das Anlagevermögen erfasst, sondern „per Sofortabschreibung an Warenbestandsveränderung” gebucht.

Nach Angaben des Klägers (Schriftsatz vom 28.09.2016) betrugen die durchschnittlichen Anschaffungskosten der Gibo 57,00 Euro. Die Sofortabschreibungen auf nicht im Jahr der Anschaffung veräußerte Gibo und die Bestände der an Dritte überlassenen Gibo beliefen sich an den jeweiligen Bilanzstichtagen auf folgende Beträge (jeweils in Euro):

31.12.2011

31.12.2012

31.12.2013

31.12.2014

Sofortab-schreibung

298.908,00

63.555,00

286.311,00

963.699,00

Bestand in Stücken

8.853

9.968

14.991

31.898

Bestand in Euro

504.621,00

568.176,00

854.487,00

1.818.186,00

Im Rahmen einer im Juni 2015 begonnenen Betriebsprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E-Stadt, welche die Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer der Jahre 2011 bis 2014 umfasste, vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die entgeltliche Überlassung der Gibo an verschiedene Kunden für unterschiedliche Zeiträume zivilrechtlich Sachdarlehensvereinbarungen gemäß § 607 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seien. Da die Gibo vertretbare Sachen im Sinne des § 91 BGB seien, schulde der Kunde nach Ablauf der Nutzungsdauer nicht die Rückgabe einer konkreten, individuell bestimmen Mietsache, sondern er sei lediglich verpflichtet, Sachen gleicher Art, Menge und Güte zurückzugeben. Die jeweiligen Kunden erlangten nach Auffassung der Prüferin nicht nur den Besitz an den Gibo, sondern auch die Befugnis zur wirtschaftlichen Verwertung der übernommenen Gibo und somit zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum. Im Regelfall sei ein Kunde auch nicht in der Lage, genau die übernommenen Gibo zurückzuführen, weil er diese selbst in den Ladungsträger-Kreislauf bringe und nicht mehr nachvollziehbar sei, welcher Ladungsträger sich gerade an welchem Ort befinde. Diese sogenannten „Miet-Bestände” müssten als Sachdarlehensforderungen grundsätzlich mit den Anschaffungskosten bilanziert werden. Dies bedeute, dass die Gibo nicht als GWG des Anlagevermögens abgeschrieben werden dürften. Ausgehend von den Bestandsermittlungen des Klägers im Schreiben vom 28.09.2016 ermittelte die Prüferin nach ihrer Auffassung zu Unrecht nicht bilanzierte Sachdarlehensforderungen für 2011 in Höhe von 504.621,00 Euro, für 2012 in Höhe von 568.176,00 Euro, für 2013 in Höhe von 854.487,00 Euro und...

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