Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung bei fehlenden Gewinnermittlungen bzw. fehlenden Einzelaufzeichnungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das FA ist dem Grunde nach berechtigt, Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, insbesondere erforderliche Aufzeichnungen zu Einnahmen und Ausgaben nicht führt.

2) Im Rahmen der Schätzung muss der Stpfl. es hinnehmen, dass die im Wesen der Schätzung liegende Unsicherheit oder Fehlertoleranz gegen ihn ausschlägt und das FA bzw. das FG im Rahmen des Schätzungsspielraums bei steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen an der oberen, bei steuermindernden Besteuerungsgrundlagen an der unteren Grenze bleibt.

 

Normenkette

FGO § 96; AO § 162

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin ist XXX [Berufsbezeichnung] und wird durch den Antragsgegner zur Einkommensteuer veranlagt. Im streitigen Zeitraum von 2012 bis 2017 erzielte sie freiberufliche Einkünfte gemäß § 18 EStG aus einer Tätigkeit für den Y e.V. (im Folgenden: „der Verein”). Zugleich war sie vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied des Vereins und besaß Verfügungsberechtigungen über diverse Konten des Vereins. Die weiteren Vorstandsmitglieder des Vereins waren Herr C und Herr D.

Der Verein ist im Bereich N [Tätigkeitsbereich] tätig und kooperiert mit den … [Z-Einrichtungen] in einem … [Drittland]. Dabei sind der Verein und die Z-Einrichtungen in dem Drittland rechtlich selbstständig und unabhängig voneinander. Der Verein organisierte N-hilfe, indem er … [Menschen], die sich in Lebenskrisen befanden, ermöglichte, an den Z-Einrichtungen im Drittland eine Zeit lang im Ausland zu leben. Diese Leistungen werden durch den Verein im Rahmen von Leistungsvereinbarung als Teil der öffentlich-rechtlichen N-hilfe erbracht, §§ … SGB ….

Für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2014 sowie 2016 gab die Antragstellerin weder Steuererklärungen noch Einnahmenüberschussrechnungen (EÜR) ab. In den Vorjahren 2007 bis 2011 hatte sie steuerliche Gewinne nach § 4 Abs. 3 EStG zwischen rd. 11.300 € und rd. 16.700 € erklärt. Für das Streitjahr 2015 gab die Antragstellerin am 12.06.2018 eine EÜR ab, in der sie einen Gewinn in Höhe von 75.773,38 € (Betriebseinnahmen: 94.682,86 €, Betriebsausgaben: 18.909,48 €) auswies.

Der Antragsgegner führte daraufhin eine Betriebsprüfung (Bp) ab dem 21.08.2018 bei der Antragstellerin für die Jahre 2012 bis 2017 durch.

Während der Betriebsprüfung reichte die Antragstellerin zunächst am 29.03.2019 eine EÜR für das Jahr 2017 ein, in der sie einen Gewinn in Höhe von 85.486,50 € erklärte (Betriebseinnahmen 94.985,00 €, Betriebsausgaben: 9.498,50 €). Am 30.09.2019 reichte sie eine weitere EÜR für das Jahr 2017 ein, in der sie einen Gewinn in Höhe von 39.015,32 € (Betriebseinnahmen 63.993,60 €, davon 3.093,60 € private PKW-Nutzung, Betriebsausgaben: 24.878,28 €) erklärte. Dazu führte der damalige steuerliche Berater aus, gemäß den Angaben der Antragstellerin und Bestätigung durch den Verein habe die Antragstellerin dem Verein in der Vergangenheit ein Darlehen zur Verfügung gestellt. Hieraus resultierende Darlehensrückführungen i.H.v. 6.330,00 € im Jahr 2017 seien nicht den Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit zuzurechnen. Gemäß den Erläuterungen der Antragstellerin und Bestätigung durch den Verein seien Zahlungsein- und -ausgänge für eine Anleihe des Vereins über das Konto der Antragstellerin abgewickelt worden. Hieraus resultierten jährliche Ausgaben sowie Einnahmen von 50.400 € auf dem Konto der Antragstellerin. Es handele sich um einen durchlaufenden Posten, der nicht bei den Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen sei.

Für die Jahre 2012 bis 2014 wurden Kontoauszüge und teilweise Belege vorgelegt. Für die Jahre 2012 bis 2016 erhielt der Antragsgegner Kontoauszüge aufgrund einer Kontenanforderung der Steuerfahndung. Für das Streitjahr 2017 lagen dem Antragsgegner weder Belege noch Kontoauszüge vor (Tz. 2.1 des Betriebsprüfungsberichtes vom 01.12.2020).

Für die Streitjahre stellte der Antragsgegner anhand der Kontoauszüge (2012 bis 2016) folgende Einnahmen der Antragstellerin aus selbständiger Tätigkeit für den Verein fest (Tz. 2.2 des Betriebsprüfungsberichtes vom 01.12.2020, im Einzelnen: Anlagen 1-5 zum Betriebsprüfungsbericht), während die Einnahmen des Jahres 2017 aus der von der Antragstellerin eingereichten Gewinnermittlung übernommen wurden:

Jahr

2012

2013

2014

2015

2016

2017

Einnahmen

143.720 €

155.393 €

134.229 €

97.591 €

99.542 €

63.993 €

Weiterhin stellte der Antragsgegner bei der Auswertung der Kontoauszüge sowie der Kreditkartenabrechnungen fest, dass die Bareinzahlungen die Barabhebungen der Antragstellerin in den Jahren 2012 bis 2016 übertrafen. Im Einzelnen ergaben sich folgende Einzahlungsüberschüsse (Tz. 2.3 des Betriebsprüfungsberichtes vom 01.12.2020, im Einzelnen: Anlagen 6-10 zum Betriebsprüfungsbericht):

Jahr

2012

2013

2014

2015

2016

2017

Überschuss

10.860 €

16.298 €

23.105 €

32.441 €

35.245 €

25.000 ...

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