Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast des Unternehmers für die Voraussetzungen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen in Abhol- bzw. Versendungsfällen von hochwertigen PKW

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Voraussetzungen der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen trägt der Unternehmer die Beweislast; verbleibende Zweifel bzw. Widersprüche in den vorgelegten Unterlagen gehen daher zu Lasten des Unternehmers. Die Finanzbehörden und damit die Finanzgerichte im Rahmen ihrer Amtsermittlung müssen insoweit keine Nachforschungen in einem anderen Mitgliedstaat anstellen.

2. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt nicht vor, wenn das Gericht auf Grund der vorgelegten Belege nicht feststellen kann, dass – wie behauptet- der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, dass der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat oder dass dies für Rechnung des Abnehmers oder des Verkäufers geschehen sein soll (hier: z.B. divergierende Unterschriften auf einer angeblich vom Abnehmer stammenden Empfangsbestätigung bzw. einer nachträglich erstellten Bestätigung).

3. Ein CMR-Frachtbrief ist kein Versendungsbeleg gem. § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV, wenn er u.a. im Empfängerfeld 2 keinerlei bzw. unvollständige Angaben, ferner keine Bestätigung über den Warenempfang am Bestimmungsort enthält und wenn er z.B. einen anderen Lieferort als die Rechnungsadresse aufführt. Eine nachträglich vom angeblichen Abnehmer erteilte Bescheinigung kann nicht als Versendungsnachweis anerkannt werden, wenn es sich bei dem Abnehmer um eine Scheinfirma handelt, deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer schon vor Erteilung der Bescheinigung von der Finanzverwaltung des anderen Mitgliedstaates für ungültig erklärt worden ist. Eine nachträglich von einem „missing trader” vorgelegte Bescheinigung ist ebenfalls unbeachtlich, wenn nicht weitere aktuelle Nachweise über die noch bestehende Existenz des Unternehmens sowie Identität und noch bestehende Vertretungsberechtigung der handelnden Person vorgelegt werden (hier: Nichtanerkennung eines angeblichen Auszugs aus dem spanischen Handelsregister, der das Ausstellungsdatum nicht erkennen lässt, dessen Vollständigkeit nicht gewährleistet ist und der nicht erkennen lässt, von wem er unterschrieben worden ist).

4. Ein vom angeblichen Leistungsempfänger selbst unterschriebener Beleg hat nicht den Beweiswert eines CMR-Frachtbriefs.

5. Dem Unternehmer kann kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG im Hinblick auf unrichtige Angaben des Abnehmers gewährt werden, wenn er sich, obwohl hochwertige Pkw ganz oder überwiegend bar verkauft worden sind, nicht über die Identität des jeweiligen Abholers vergewissert hat und diese nicht entsprechend belegen hat lassen.

 

Normenkette

UStG 1993 § 6a Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. a, Abs. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b; UStDV § 17a Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1; EWGRL 388/77 Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.12.2011; Aktenzeichen XI R 32/09)

BFH (Urteil vom 14.12.2011; Aktenzeichen XI R 32/09)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von Kraftfahrzeugen vorliegen.

Der Kläger betreibt einen Handel mit Kraftfahrzeugen in A. Mit Prüfungsanordnung vom 13. Januar 1998 ordnete das beklagte Finanzamt eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar bis November 1997 an. Mit Prüfungsanordnung vom 24. Februar 1999 ordnete das FA eine weitere Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar 1998 bis Januar 1999 an. In den Prüfungsberichten vom 11. Mai 1998 und vom 2. September 1999 wurde keine der im Klageverfahren streitigen innergemeinschaftlichen Lieferungen beanstandet.

Die Umsatzsteuerbescheide 1997, 1998 und 1999 standen bis zum Abschluss einer nachfolgenden Steuerfahndungsprüfung des FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Aufgrund der Feststellungen einer am 9. August 2000 begonnenen Steuerfahndungsprüfung erließ das FA am 27. November 2001 gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Umsatzsteuer für die Streitjahre.

Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 21. Dezember 2001, beim Finanzgericht München eingegangen am 27. Dezember 2001, Sprungklage. Mit Beschluss des Finanzgerichts München vom 28. Januar 2002 wurde die Streitsache zur Entscheidung an das FA verwiesen, weil die Sprungklage als Einspruch zu behandeln sei.

Aufgrund der Feststellungen im Fahndungsprüfungsbericht vom 23. Dezember 2003 – auf die Stellungnahmen der Steuerfahndung vom 21. März 2002 und vom 26. Juni 2002 sowie den strafrechtlichen Ermittlungsbericht vom 26. Juli 2004 wird ergänzend verwiesen – erließ das FA am 29. März 2004 weitere gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide und setzte die Umsatzsteuer für 1997 auf einen negativen Betrag von 81.406,...

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