Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbrauch der Missbrauchsvorschrift § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG. teleologische Reduktion des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG in Fällen ohne Gewinnverlagerung aus dem betrieblichen in den privaten Bereich. eine Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibung ist nicht als Wertpapier im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG anzusehen. Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei Erwerb gegenläufiger Anleihen. Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 28/20)

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine teleologische Reduktion des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG dergestalt, dass die Norm in Fällen nicht zur Anwendung kommt, in denen durch die Veräußerung einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG an eine Kapitalgesellschaft, an der der Steuerpflichtige zu mindestens 10 % beteiligt ist, ein Verlust entsteht, eine Gewinnverlagerung aus dem betrieblichen in den privaten Bereich jedoch nicht gegeben ist, ist nicht gerechtfertigt.

Der Anwendung des § 42 Abs. 2 AO steht in Fällen der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG § 42 Abs. 1 Satz 2 AO entgegen. Die Abschirmwirkung des § 42 Abs. 1 Satz 2 AO entfällt nicht unter dem Blickwinkel, dass in der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG ein Missbrauch einer Missbrauchsvorschrift in Fällen zu sehen sein kann, in denen gezielt der Verlustausgleich mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ermöglicht werden soll.

Werden Anleihen in Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen gewandelt, findet § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG keine Anwendung, da Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen nicht als Wertpapiere im Sinne des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG zu qualifizieren sind.

Das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ist bei jeder Kapitalanlage getrennt zu beurteilen; dies gilt auch für den Erwerb gegenläufiger, sich gegenseitig jedoch nicht bedingender Anleihen.

 

Normenkette

EStG § 32d Abs. 2 Nrn. 1b, 1 S. 2, § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Abs. 4a S. 3; AO § 42

 

Tenor

1. Der Einkommensteueränderungsbescheid für 2016 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xxx wird dahingehend geändert, dass zur Berechnung der Einkommensteuer bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von ./. (Betrag Z) EUR berücksichtigt werden, und die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG um (Betrag Z) EUR erhöht werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 55 % und der Beklagte zu 45 %.

4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Verlust aus der Veräußerung von Wandelschuldverschreibungen durch den Kläger an eine GmbH, an der der Kläger mit 100 % der Anteile beteiligt ist, gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 b) des Einkommensteuergesetzes (EStG) der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a EStG (progressive Einkommensteuer) unterliegt und demgemäß der Verlustausgleich nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht eingeschränkt ist, ob aufgrund des Wandels von Wandelschuldverschreibungen in Xetra-Gold Inhaberschuldverschreibungen, ISIN: (…) (Xetra-Gold) gemäß § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG die Anschaffungskosten der Wandelschuldverschreibungen als Veräußerungspreis der Wandelschuldverschreibungen und Anschaffungskosten des Xetra-Golds anzusetzen sind, und ob bzgl. der Gesamtgestaltung ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO) anzunehmen ist.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2016 bei dem Beklagten (dem Finanzamt – FA –) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. einen im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzenden Veräußerungsgewinn in Höhe von (Betrag Y) EUR. Dieser setzte sich zusammen aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen des Klägers an der A GmbH & Co. KG (vormals B GmbH & Co. KG) sowie aus einem Veräußerungsgewinn im Zusammenhang mit der Beteiligung des Klägers an der C GmbH & Co. KG.

Ausweislich des Vertrags über den Geschäftsanteilsverkauf vom (…). Oktober 2016 erwarb der Kläger sämtliche Geschäftsanteile der Q-GmbH von der A GmbH & Co. KG.

Der Kläger erwarb am (…). November 2016 folgende Wandelschuldverschreibungen zu einem Nennwert von je (Betrag X) EUR für sein Depot Nr. xxx bei der Bank … mit Sitz in der Schweiz:

(xx) Stück … (PMO-Anleihe) zu einem Kaufpreis von (Betrag W) EUR.

(xx) Stück … (GS-Anleihe) zu einem Kaufpreis von (Betrag V) EUR.

Nach den jeweiligen Emissionsbedingungen handelte es sich um festverzinsliche, betrags- und laufzeitidentische Indexanleihen, abhängig von der Entwicklung des … Index (Basiswert) innerhalb eines...

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