Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Zweijahresfrist für Antragsveranlagung. keine Pflichtveranlagung wegen Verlusten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die in § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG geregelte Zweijahresfrist für eine Antragsveranlagung stellt eine gesetzliche Ausschlussfrist dar und kann nicht nach behördlichem Ermessen verlängert werden. Am Fristablauf ändert sich folglich auch dann nichts, wenn der Steuerpflichtige zur Abgabe der Einkommensteuererklärung aufgefordert worden und ein (später wieder aufgehobener) Schätzungsbescheid oder auch ein Grundlagenbescheid ergangen ist.

2. Ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über materielles Recht ist – anders als ein Irrtum über die Ausschlussfrist selbst – keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich. War daher den Klägern die Ausschlussfrist für eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2 EStG bekannt, sind sie aber irrtümlich vom Fall einer Pflichtveranlagung ausgegangen oder haben sie aufgrund der besonderen Umstände ihres Falls angenommen, die Antragsfrist gelte vorliegend ausnahmsweise nicht, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

3. Die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags sind grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist (§ 110 Abs. 2 AO) darzulegen und ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der Antragsfrist ist jedenfalls dann unzulässig, wenn es sich um einen völlig neuen, bisher nicht vorgetragenen Sachverhalt handelt.

4. Vom Kläger geltend gemachte „erhebliche negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung” erfüllen auch dann nicht die Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, wenn sie in einem Grundlagenbescheid einheitlich und gesondert festgestellt worden sind.

 

Normenkette

AO § 110 Abs. 1-2; EStG § 46 Abs. 2 Nrn. 1, 8 Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.04.2008; Aktenzeichen VI R 43/06)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Einkommensteuerveranlagung der Kläger gemäß ihrer erst am 20. September 2001 beim Beklagten (dem Finanzamt –FA–) vorgelegten Einkommensteuererklärung 1998 durchgeführt werden muss.

Nachdem die Kläger-Ehegatten trotz Erinnerung von Seiten des FA für das Streitjahr 1998 immer noch keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen in Anlehnung an die Veranlagung für das Vorjahr unter Ansatz von Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 248.000 DM (= 250.000 DM an Einnahmen ./. 2.000 DM Werbungskosten) und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 0 DM. Den unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Schätzungsbescheid vom 28. März 2000 versandte es direkt an die Kläger.

Am 24. Mai 2000 ging beim FA die Mitteilung über einen anteiligen Verlust aus Vermietung und Verpachtung 1998 des Klägers in Höhe von 186.858 DM an der „Grundstücksgemeinschaft A in B. ein.

Noch mit Schreiben vom 4. Januar 2001 forderte das FA die Kläger unter Androhung von Zwangsgeld zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 bis spätestens 3. Februar 2001 auf. Mit Bescheid vom 9. März 2001 hob es den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 28. März 2000 sodann mit der Begründung auf, dass nach § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine Antragsveranlagung vorliege und die Zweijahresfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG abgelaufen sei.

Erst am 20. September 2001 reichten die Kläger beim FA ihre Einkommensteuererklärung für 1998 ein, worin sie insgesamt folgende Einkünfte erklärten: Einkünfte des Kläger aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 324.821 DM und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 174.191 DM (= 12.667 DM aus „Vermietung der Ferienwohnung” und ./. 186.858 DM „Einkünfte aus Beteiligung”). Bei der Anfertigung der Steuererklärung wirkte wie auch im Vorjahr – der Klägervertreter mit.

Die entsprechende Veranlagung zur Einkommensteuer lehnte das FA mit Bescheid vom 9. November 2001 unter Hinweis darauf ab, dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 und 2 Nr. 1 bis 7 EStG für eine Veranlagung von Amts wegen nicht vorlägen und der Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nicht fristgerecht gestellt worden sei; die Antragsfrist sei am 31. Dezember 2000 abgelaufen.

Im dagegen geführten Einspruch (s. Schreiben vom 13. November 2001 und 11. Dezember 2001) trug der Klägervertreter vor, eine Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG komme nur in Betracht, wenn die Vorschriften des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG nicht anwendbar seien. Da der Kläger aber erhebliche negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe, sei eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG durchzuführen. Zudem habe das FA bereits eine Veranlagung durchgeführt, da im März 2000 ein geschätzter Einkommensteuerbescheid für 1998 direkt an die Kläger geschickt worden sei. Ein Verlustanteil aus Vermietung und Verpachtung 1998 sei in Höhe von 186.858 DM gemäß § 179 der Abgab...

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