rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Überschusserzielungsabsicht bei Erwerb einer Vielzahl von unterschiedlichen Grundstücken

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit ist objekt- und nicht grundstücksbezogen, d. h. sie ist auf ein bestimmtes Immobilienobjekt ausgerichtet, auch dann, wenn sich die Objekte auf einem Grundstück befinden.Vermietet der Steuerpflichtige dagegen mehrere Objekte bzw. das etwa aus unterschiedlich genutzten Teilstücken bestehende gesamte Grundstück auf der Grundlage lediglich eines Rechtsverhältnisses, ist die Vermietungstätigkeit einheitlich zu beurteilen.

2. Wie der objektive Tatbestand ist auch der subjektive Tatbestand – die Einkunftserzielungsabsicht – objektbezogen. Sie ist nur dann in Bezug auf mehrere Objekte oder das gesamte Grundstück zu prüfen, wenn sich auch die Vermietungstätigkeit gleichzeitig auf mehrere Objekte oder auf das gesamte Grundstück richtet. Werden hingegen verschiedene Gebäudeteile jeweils einzeln – auf der Grundlage verschiedener Rechtsverhältnisse – vermietet, bezieht sich die Einkunftserzielungsabsicht nur auf das jeweilige Objekt.

3. Für § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, den subjektiven Steuertatbestand zu verwirklichen und damit einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Dies gilt jedoch nur für die Vermietung von Wohnraum, nicht für die Vermietung von Gewerbeimmobilien. Bei Gewerbeimmobilien ist die Überschusserzielungsabsicht stets ohne typisierende Vermutung im Einzelfall festzustellen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 165 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2013 vom 24.10.2017 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 23.12.2019 sowie der Einkommensteuerbescheide 2014 bis 2016 vom 07.02.2022 sind weitere negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 21.259 EUR in 2013, 24.842 EUR in 2014, 14.970 EUR in 2015 und 10.885 EUR in 2016 zu berücksichtigen. Die Berechnung der festzusetzenden Steuer im Einzelnen wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 70 % und der Beklagte zu 30 %.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In den Streitjahren 2013-2016 erzielten sie Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbstständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung.

Von 2003 bis zum Jahr 2016 erwarben die Kläger, teils im alleinigen, teils im gemeinschaftlichen Eigentum, insgesamt 111 Immobilienobjekte in ganz Deutschland, die sie nach ihren Angaben zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorsahen und die sie in den jeweiligen Einkommensteuererklärungen in den Anlagen V durch Einnahmen-Überschussermittlung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 (Einkommensteuergesetz (EStG) ansetzten. Es handelt sich dabei überwiegend um unbebaute Grundstücke, die sie, überwiegend bei Zwangsversteigerungen, zu Kaufpreisen von teilweise wenigen hundert oder tausend Euro, erworben haben. Sie gaben an, die Grundstücke teilweise als landwirtschaftliche Flächen, als Lagerflächen oder Ähnlichem zu vermieten bzw. vermieten zu wollen. Die Bearbeitung, Projektierung, Baureifmachung und Vermietung dieser vielen Objekte sei sehr zeitintensiv und lasse sich, auch aufgrund der eingebrachten Eigenleistung der Kläger, nicht innerhalb kurzer Zeit nach Anschaffung verwirklichen. Auch baurechtliche, genehmigungsrechtliche und naturschutzrechtliche Hürden könnten mehrere Jahre in Anspruch nehmen, bevor sie sich überwinden lassen würden. Wegen ihrer noch andauernden aktiven Einbindung in ihr Bauunternehmen hätten sie in den Anfangsjahren nach Erwerb nicht alle, in der Regel telefonischen, Mietanfragen beantworten und bearbeiten können. Deshalb seien viele Objekte unvermietet geblieben, was sich nach ihrem Eintritt in den Ruhestand ab den Jahren 2020 ändern werde. An den Objekten sei in der Regel ein Schild mit der Vermietungsabsicht unter Angabe einer Telefonnummer angebracht worden. Mietinteressenten hätten aufgrund der aufgestellten Schilder in der Regel telefonisch nachgefragt, wobei Gesprächsprotokolle über die Telefonate aufgrund des erheblichen Aufwandes nicht gefertigt worden seien.

Das Finanzamt erließ mit Datum vom 24.10.2017 Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013-2015 und mit Datum vom 02.01.2019 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016. Hinsichtlich einzelner V+V-Objekte wurden die geltend gemachte Verluste vorläufig nach § 165 A...

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