Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtanwendung der Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 in Drittstaatenfällen wegen Verstoßes gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 – Behandlung von 5 % der steuerfreien Dividenden aus Beteiligungen von mindestens 10 % an ausländischen Gesellschaften als nichtabziehbare fiktive Betriebsausgaben – verstößt in Drittstaatenfällen (im Streitfall: mehr als 10%ige Beteiligung an indischer Gesellschaft) gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV und ist daher nicht anzuwenden; auch bei einer Mindestbeteiligungsschwelle von 10 % wird die Kapitalverkehrsfreiheit nicht von der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV verdrängt (Anschluss an die Urteile des EuGH in den Rechtssachen C-47/12, Kronos International Inc., v. 11.9.2014 sowie v. 3.10.2013 – C-282/12, Itelcar, wodurch die gegenteilige frühere BFH-Rspr. überholt ist). Auf die Höhe der tatsächlichen Beteiligung kommt es insoweit in Drittstaatenfällen nicht an.

 

Normenkette

KStG 1999 § 8b Abs. 5, 7; AEUV Art. 63, 49; DBA-Indien Art. 23 Abs. 1 Buchst. a; EStG § 3c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.07.2018; Aktenzeichen I R 75/16)

 

Tenor

1. Auf die Klage wird der Körperschaftsteuerbescheid für 2001 vom 10. Juli 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2016 dahingehend geändert, dass das zu versteuernde Einkommen auf ./. 182.419.754 DM, der steuerliche Verlust auf ./. 182.419.754 DM und das Einkommen im Sinne des § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG auf ./. 182.419.754 DM festgestellt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Ansatz von nichtabziehbaren Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 7 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der im Streitjahr anwendbaren Fassung bei einer Drittstaatenbeteiligung.

Die Klägerin ist eine GmbH mit dem Geschäftsgegenstand Vermögensverwaltung und gehört zum Konzern der X AG. Sie hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober 2000 bis 30. September 2001. Im Wirtschaftsjahr 2000/2001 flossen ihr Dividenden der Y Indien in Höhe von 1.907.434 DM (975.255,53 EUR) zu. Der Beklagte (nachfolgend: Finanzamt) führte vom 28. Februar 2001 bis 13 April 2006 mit Unterbrechungen eine Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2001 durch. Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 25. April 2006 … wird Bezug genommen. Das Finanzamt erließ am 29. Mai 2006 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Körperschaftsteuerbescheid. Die Beteiligungseinkünfte der indischen Tochtergesellschaft, an der die Klägerin mit 25,17 % beteiligt war, blieben gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG 1999 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Indien 1995) steuerfrei (sog. Schachtelprivileg). Lediglich 5 % der Bruttodividende und somit von 95.372 DM (48.762,78 EUR) wurden dem Einkommen der Klägerin gemäß § 8b Abs. 7 KStG als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben hinzugerechnet (sog. Schachtelstrafe). Die festgesetzte Körperschaftsteuer betrug 0 EUR, ein verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001 wurde festgestellt. Die nachfolgenden Änderungen der Bescheide vom 29. Juni 2009 und vom 10. Juli 2014 ergingen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung. Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 29. Mai 2006 fristgemäß Einspruch und wandte sich gegen den pauschalen Ansatz von fiktiven nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben in Höhe von 5 % der Dividenden, die sie von der ausländischen Tochtergesellschaft bezogen hatte. Der Einspruch ruhte zunächst im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren I R 78/04. Nach Abschluss dieses Verfahrens sowie des Verfahrens I R 7/12 erging die Einspruchsentscheidung vom 18. März 2016. Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück, da § 8b Abs. 7 KStG 1999 bei einer Drittstaatenbeteiligung anwendbar bleibe.

Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:

§ 8b Abs. 7 KStG 1999 müsse wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit unangewendet bleiben. Der BFH habe bereits entschieden, dass § 8b Abs. 7 KStG 1999 innerhalb der EU nicht anwendbar sei (BFH-Urt. vom 13. Juni 2006 I R 78/04, BStBl II 2008, 821). Diese Rechtsprechung habe er in seinem Urteil vom 9. August 2006 im Verfahren I R 95/05 (BStBl II 2007, 279) fortentwickelt und durch Urteil vom 26. November 2008 I R 7/08 (BFH/NV 2009, 849) bestätigt. Er habe entschieden, dass die in § 8b Abs. 5 KStG 2002 enthaltene pauschale Fiktion von nichtabziehbaren Betriebsausg...

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