Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliches Gehör bei mündlicher Verhandlung trotz Terminverlegungsantrag; krankheitsbedingte Versäumung der Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Kläger bereits in der Vergangenheit wiederholt unter Beifügung von ärztlichen Attesten auf Krankheit gestützte Fristverlängerungs- , Terminverlegungs- oder Terminaufhebungsanträge gestellt, ohne das vom Gericht angeforderte amtsärztliche Attest vorzulegen, stellt er nun erneut erst "in letzter Minute", unmittelbar vor Beginn der Verhandlung unter Verweis auf ein wieder nicht von einem Amtsarzt erstelltes Attest einen Terminverlegungsantrag und lässt er dabei offen, wann die Erkrankung aufgetreten ist, so wird durch die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des über seinen Bevollmächtigten wirksam geladenen Klägers und seines Bevollmächtigten nicht der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

2. Wurde dem Kläger, der bisher keine Steuererklärungen abgegeben hat, wirksam eine Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens gesetzt, kann der Kläger diese Frist auch ohne Abgabe der Steuererklärungen dadurch wahren, dass er die Schätzungen des FA als nicht den Tatsachen entsprechend bezeichnet und hierzu z.B. auf wesentliche niedrigere Einkünfte oder ggf. das Fehlen jeglicher Einkünfte verweist. Insoweit reicht es, die Besteuerungsgrundlagen zu nennen, deren Änderung zu einer Steuerherabsetzung oder zu einer sonstigen Verbesserung für den Kläger führen soll.

3. Ein am letzten Tag wegen Erkrankung gestellter Antrag auf Verlängerung einer Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Klagebegehrens wird vom Gericht zu Recht abgelehnt, wenn der Kläger nicht glaubhaft machen kann, durch die Erkrankung an der Fristwahrung gehindert gewesen zu sein. Eine nachträglich vom Hausarzt für den streitigen Zeitraum bescheinigte Arbeitsunfähigkeit sagt nicht darüber aus, ob der Kläger krankheitsbedingt auch zu den Mindestangaben zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens außerstande war.

 

Normenkette

FGO § 65 Abs. 2 S. 2, § 96 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 79b Abs. 1; ZPO § 227 Abs. 3; FGO § 54 Abs. 2; ZPO § 224 Abs. 2; FGO § 65 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger (Kl) unterhielt in den Streitjahren ein Transportunternehmen. Da er keine Steuererklärungen abgab, schätzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer(ESt) und die Umsatzsteuer(USt)-Schuld zuletzt wie folgt fest:

ESt 1989 mit Änderungsbescheid vom 2. Februar 1994 unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung

2.851

DM

ESt 1990 mit Änderungsbescheid vom 16. März 1995 unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung

4.078

DM

ESt 1991 mit Änderungsbescheid vom 17. November 1995 unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung

5.409

DM

ESt 1992 mit Änderungsbescheid vom 17. November 1995 unter gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung

7.005

DM

ESt 1993 mit Bescheid vom 17. November 1995 und Bescheid vom 21. September 1998, mit dem das FA den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob

9.513

DM

USt-Schuld 1989 mit Bescheid vom 26. Juni 1991

1.638

DM

USt-Schuld 1990 mit Bescheid vom 29. Oktober 1992, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging

4.200

DM

USt-Schuld 1991 mit Bescheid vom 4. Januar 1994 und Bescheid vom 17. November 1995, mit dem das FA den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob

4.900

DM

USt-Schuld 1992 mit Bescheid vom 12. Oktober 1994 und Bescheid vom 17. November 1995, mit dem das FA den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob

5.600

DM

USt-Schuld 1993 mit Bescheid vom 17. November 1995, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging

7.500

DM

Die dagegen erhobenen Einsprüche hatten keinen Erfolg, weil der Kl auch im Rechtsbehelfsverfahren die mehrfach zugesagten Steuererklärungen nicht einreichte und auch sonst seine Einsprüche nicht begründete. Auf die Einspruchsentscheidung vom 14. April 1999, mit der das FA gleichzeitig den Vorbehalt der Nachprüfung für die USt 1990 und 1993 aufhob, wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 1999 erhob der Kl Klage. Dabei gab er an, daß er die Begründung nachreichen wolle. Der Aufforderung des Senatsvorsitzenden vom 27. Mai 1999, bis zum 30. Juli 1999 u.a. den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, die Klage zu begründen und einen bezifferten Klageantrag zu stellen (§ 65 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –), blieb trotz wiederholter, antragsgemäß gewährter Fristverlängerungen ohne Erfolg.

Schließlich setzte der Senatsvorsitzende dem Kl mit Anordnung vom 1. Dezember 1999 zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 31. Januar 2000. In derselben Anordnung setzte der Vorsitzende auch noch zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung und Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sich der Kl beschwert fühlt, gem. § 79 b Abs. 1 FGO eine Frist, und zwar ebenfalls bis zum 31. Januar 2000.

Mit Schriftsatz vom 30. J...

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