Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsläufigkeit von Aufwendungen bei außergewöhlichen Belastungen. Übernahme einer Bürgschaft durch den Ehepartner für Schulden aus der Geschäftsgründung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Fall einer Bürgschaft kann die Zwangsläufigkeit nur dann bejaht werden, wenn die Übernahme der Bürgschaft und nicht nur die spätere Zahlung aufgrund der Bürgschaft zwangsläufig war.

2. Bürgschaftsübernahme für Schulden aus der Geschäftsgründung des Ehepartners ist nicht zwangsläufig, da in einer bestehenden Ehe keine Verpflichtung besteht, sich für die Schulden des Ehepartners zu verbürgen.

3. Die eheliche Beistandspflicht beinhaltet in erster Linie persönliche Handlungspflichten, wie z.B. die Pflicht im Erwerbsgeschäft des Ehegatten mitzuwirken, aber nicht die Pflicht, für den Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten Verbindlichkeiten zu begleichen, Bürgschaften oder dingliche Sicherheiten zu übernehmen oder bereits eingegangene Verbindlichkeiten zu übernehmen

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1-2, § 24b; BGB § 1353 Abs. 1 S. 2; FGO § 42; AO § 351 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.11.2009; Aktenzeichen VI B 139/08)

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2004 vom 14. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 wird die Einkommensteuer für 2004 auf 13.055,00 EUR herabgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist gelernte Fleischereifachverkäuferin und führt sei 1986 einen Fleischereifachhandel […] L-Stadt. Sie wurde am 4. November 2002 geschieden und lebt seit Januar 2000 von ihrem ehemaligen Ehemann (M) getrennt.

Die Klägerin und M erwarben mit Kaufvertrag vom 15. September 1988 für einen Kaufpreis von 406.000 DM ein Einfamilienhaus in […] O-Dorf. Die beiden gemeinsamen Kinder (Zwillinge, geb. 11. Januar 1988) und die alleinstehende Klägerin bilden seit dem Auszug von M eine Hausgemeinschaft in der gemeinsamen Wohnung.

Die […] V-BANK gewährte am 29. Mai 1996 M als alleinigem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von 570.000 DM (Darlehen Nr. […] 424), das M benötigte um eine eigene Metzgerei in O-Dorf zu übernehmen (Gewerbeanmeldung vom 1. April 1996).

Als Sicherheit dient der V-BANK eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Klägerin, die diese bis zu einem Höchstbetrag von 570.000 DM am 17. April 1996 gegenüber der V-BANK für alle gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten des M bei der V-BANK übernahm. Nachdem M auch mit seinem Kontokorrentkonto in Rückstand war und die Bürgschaft der Klägerin nicht mehr zur Absicherung der Verbindlichkeiten des M bei der V-BANK ausreichte, wurde auf das Hausgrundstück am 28. Januar 1997 eine weitere Grundschuld in Höhe von 200.000 DM nach einer nicht mehr in voller Höhe valutierten Grundschuld über 350.000 DM eingetragen.

Zum 16. Juni 1997 gab M seinen Gewerbebetrieb wieder auf, da sich trotz der Mithilfe der Klägerin seine Metzgerei nicht wie erwartet entwickelt hatte. Am 21. Juli 1998 kündigte die V-BANK das Darlehen gegenüber M. Mit notariellem Vertrag vom 28. Juli 1998 übertrug M seinen Miteigentumsanteil am Hausgrundstück auf die Klägerin; in diesem notariellen Vertrag war u.a. vereinbart, dass die Klägerin auch die mit den auf dem Grundbesitz eingetragenen Grundschulden gesicherten Verbindlichkeiten zur dinglichen und persönlichen Haftung allein übernimmt. Außerdem übernahm die Klägerin am selben Tag eine weitere Grundschuld über 200.000 DM gegenüber der V-BANK, die am 28. August 1998 im Grundbuch eingetragen wurde. Die V-BANK nahm mit Schreiben vom 7. August 1998 die Klägerin aus der abgegebenen Bürgschaft über einen Gesamtbetrag von 617.496,82 DM in Anspruch (Rechtsbehelfsakte Bl. 82), da M das für die Eröffnung seiner Metzgerei gewährte Darlehen und einen weiteren Kredit nicht bedienen konnte. Die Klägerin kam dieser Zahlungsaufforderung in vollem Umfang nach. Die Klägerin finanzierte die Bürgschaftsinanspruchnahme über zwei Darlehen bei der V-BANK in Höhe von 180.000 DM und 580.000 DM (Nr. 780 301 667 und Nr. 780 591 673).

Die Klägerin hat mit M im Jahr 2007 einen Vergleich über ihre Rückgriffsansprüche nach der Tilgung ihrer Bürgschaftsschulden und der übernommenen Verbindlichkeiten vereinbart; sie hat aber bisher auf ihre Ansprüche keine Zahlungen erhalten, da M über kein Vermögen verfügt.

Die Klägerin machte in ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre jeweils die Zins- und Tilgungszahlungen auf diese zur Tilgung der Bürgschaftsverpflichtungen aufgenommenen Darlehen in Höhe von 43.373,00 DM im Jahr 2001 und von jeweils 22.176,00 EUR in den Jahren 2002, 2003 und 2004 als außergewöhnliche Belastungen (agB) geltend. Die Klägerin begründete dies damit, dass nur ein Anteil an den Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 18,75% als Betriebsausgaben bei ihrer Metzgerei anerkannt worden sei; der restliche Anteil in Höhe von 81,25% sei demgemäß als agB abzugsfähig. Der Beklagte – das Finanzamt (FA) – folgte den Angaben der Klägerin in d...

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