Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftungsbescheid gegenüber dem Arbeitgeber: Zum Umfang der Darlegung des Auswahlermessens bei mehreren Haftungsschuldnern. Haftung für Lohnsteuer 1992

 

Leitsatz (amtlich)

Die Darstellung des Auswahlermessens im Rahmen des Erlasses eines Haftungsbescheides hat Angaben darüber zu enthalten, aus welchen Gründen mögliche weitere Haftungsschuldner nicht in Anspruch genommen wurden.

Dies gilt auch dann, wenn die in Betracht kommenden Personen unterschiedliche Haftungstatbestände erfüllen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 191, 69, 34, 5; EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.08.2002; Aktenzeichen VI R 41/96)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom … Oktober 1992 in Gestalt des Teilrücknahmebescheides vom … Oktober 1994 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

An der Klägerin (Klin), einer GmbH, waren in den Streitjahren die Herren P… und R…. K…. sowie A… K…., der zugleich Geschäftsführer war, mit je 1/3 beteiligt. Am 9. Mai 1988 wurden die Anteile an Herrn … S… veräußert. Die GmbH betrieb Sexshops, Video-Peep-Shows und Life-Peep-Shows. Bei einer Fahndungsprüfung von 1990 bis 1992 wurde u. a. festgestellt, daß in den Jahren 1984 bis 1987 Zahlungen an Mitarbeiter der GmbH teilweise nicht der Lohnsteuer unterworfen worden waren. Dies betraf sowohl die Gagen der Tänzerinnen als auch Lohnzahlungen an andere Arbeitnehmer. Der Fahndungsprüfer schätzte die Höhe der Gagen anhand der Zahl der Schichten der Mädchen, der Öffnungstage, des jeweiligen Schichtentgelts unter Berücksichtigung der Anteile der Mädchen am Entgelt aus den Solokabinen mit jährlich … DM … Die verbuchten Gagen der einzelnen Streitjahre betrugen zwischen … DM und … DM, für die von den Tänzerinnen Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erstellt worden waren. Die nicht verbuchten Löhne schätzte der Prüfer mit jährlich … DM (…)

Da auch die Gagen der Tänzerinnen nach Auffassung des Prüfers als Arbeitslohn anzusehen seien, errechnete er hierfür unter Anwendung eines pauschalen Nettosteuersatzes in Höhe von 28,2 v. H. die Lohnsteuer mit jährlich … DM. Nach demselben Verfahren ergab sich bei den nicht verbuchten Löhnen jährlich eine Lohnsteuer in Höhe von … DM

Weiter führt der Prüfer aus, daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses bei den Darstellerinnen vorlägen. Dies habe auch dem Geschäftsführer klar sein müssen, da er Zahlungen an einige Tänzerinnen der Lohnsteuer unterworfen habe. Nur um Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, seien die Mädchen aufgefordert worden, Rechnungen zu stellen. Auch sei im Büro des Geschäftsführers ein Schreiben des Finanzamts …. vom 25. Januar 1984 und eine Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion … vom … Oktober 1986 gefunden worden, aus denen hervorgehe, daß die Zahlungen an die Tänzerinnen der Lohnsteuer zu unterwerfen seien. Auf Tz. 3.10.1 und 2 des Fahndungsberichtes wird ergänzend Bezug genommen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) schloß sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ am … Oktober 1992 gegenüber der Klin einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid für 1984 bis 1987 in Höhe von … DM. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Auf die Einspruchsentscheidung vom … August 1993 wird ergänzend Bezug genommen.

Während des Klageverfahrens hat das FA auf Anregung des Berichterstatters am … Oktober 1994 einen Teilrücknahmebescheid erlassen, in dem die Lohnsteuer mit dem Bruttosteuersatz anstelle des Nettosteuersatzes berechnet wird. Der Haftungsbetrag beträgt nunmehr … DM.

Mit der Klage begehrt die Klin die Aufhebung des Haftungsbescheides. Zur Begründung trägt sie vor, daß das FA sein Auswahlermessen hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer nicht ausgeübt habe. Das FA habe keine Versuche unternommen, Namen und Anschriften der Arbeitnehmer ausfindig zu machen. Die Steuerfahndung hätte dieser Frage nachgehen müssen. Die Aufklärungspflicht könne nicht auf die Klin abgewälzt werden. Bei einer Beteiligung der Klin am Fahndungsverfahren hätte sie entsprechende Anregungen geben können. Privatrechtlich könne sie kaum Auskunft vom ehemaligen Geschäftsführer erlangen.

Weiter verweist die Klin auf einen in Auszügen beigelegten Schriftsatz im Klageverfahren 7 K 3490/92 wegen Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer, und Gewerbesteuer-Meßbetrag vor dem Finanzgericht …. Insbesondere seien die Ausführungen hinsichtlich der doppelten Analogie des § 70 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) sowie die Gesichtspunkte der Durchbrechung der Rechtsfigur der GmbH, die zu einer Inanspruchnahme des Alleingesellschafters S…. führe, was letztlich eine persönliche Durchgriffshaf...

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