Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht des Insolvenzverwalters auf Ausübung des Veranlagungswahlrechts in der Insolvenz eines Ehegatten als vermögensrechtliches Verwaltungsrecht. Ausübung des Veranlagungswahlrechts als rückwirkendes Ereignis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Veranlagungswahlrecht des § 26 EStG ist nicht höchstpersönlich, sondern ein vermögensrechtliches Verwaltungsrecht. Wird über das Vermögen eines Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet, so geht das Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG vom Ehegatten-Schuldner auf den Insolvenzverwalter über, ähnlich wie im Falle der Gesamtrechtsnachfolge das Veranlagungswahlrecht vom Ehegatten-Erblasser auf die Erben übergeht (Anschluss an das FG Münster v. 22.11.2006, 2 K 5809/04 E).

2. Die im Einspruchsverfahren gegen einen Zusammenveranlagungsbescheid abgegebene Erklärung des Insolvenzverwalters, dass er für den Ehemann und Insolvenzschuldner das Veranlagungswahlrecht ausübe und die Durchführung der getrennten Veranlagung beantrage, hat im Hinblick auf § 26 EStG Rückwirkung i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 26a; InsO § 80 Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BGB § 1353 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.03.2011; Aktenzeichen III B 114/09)

 

Tenor

Die Klage der Klägerin zu 1. wird abgewiesen.

Das Verfahren hinsichtlich des Klägers zu 2. wird eingestellt.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird bis zur teilweisen Rücknahme auf 2.000,00 EUR und für die Zeit danach auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers zu 2. berechtigt war, das Veranlagungswahlrecht gem. § 26 EStG auszuüben.

Die Klägerin zu 1. (Ehefrau) und der Kläger zu 2. (Ehemann) beantragten mit ihren am 03.05. und 03.09. 2004 eingegangenen Einkommensteuererklärungen für 2002 und 2003 die Zusammenveranlagung. Beide Eheleute erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, der Ehemann als Autoverkäufer, die Ehefrau als kaufmännische Angestellte eines Autohauses. Darüber hinaus erzielte die Ehefrau gewerbliche Einkünfte aus der Vermittlung von Versicherungen. Für den Ehemann war auf der Lohnsteuerkarte Steuerklasse V, für die Ehefrau Steuerklasse III eingetragen. Mit Einkommensteuerbescheiden vom 04. und 05.07.2005 wurden die Eheleute erklärungsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuer für 2002 wurde auf 12.562,00 EUR, die Einkommensteuer für 2003 auf 13.996,00 EUR festgesetzt. Hieraus ergab sich für 2002 eine Einkommensteuer-Nachzahlung von 828,00 EUR, für 2003 eine Einkommensteuer-Nachzahlung von 464,00 EUR. Insgesamt waren für 2002 1.344,75 EUR, für 2003 917,73 EUR nachzuzahlen.

Bereits am 09.08.2002 war über das Vermögen des Ehemanns das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter legte gegen die Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003 mit Schreiben vom 29.07.2005 Einspruch ein und beantragte namens des Insolvenzschuldners die getrennte Veranlagung der Eheleute.

Daraufhin erließ der Beklagte gegenüber der Ehefrau unter dem 05.01.2006 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003. Die Einkommensteuer für 2002 wurde auf 8.776,00 EUR, die Einkommensteuer für 2003 auf 8.817,00 EUR festgesetzt. Hieraus ergab sich für 2002 eine Einkommensteuer-Nachzahlung von 4.860,00 EUR, für 2003 eine Einkommensteuer-Nachzahlung von 4.901,00 EUR. Insgesamt waren von der Klägerin zu 1. für 2002 6.073,92 EUR und für 2003 5.831,86 EUR nachzuzahlen.

Für den Ehemann errrechnete der Beklagte Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt. /. 4.380,82 EUR für 2002 und in Höhe von insgesamt ./. 4.165,30 EUR für 2003.

Die Kläger legten gegen die an die Ehefrau ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003 vom 05.01.2006 rechtzeitig Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die Durchführung der getrennten Veranlagung wandten.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 04.09.2007 verwarf das FA den Einspruch des Ehemannes als unzulässig und wies den Einspruch der Ehefrau als unbegründet zurück.

Dagegen wandten sich die Kläger mit der rechtzeitig eingegangenen Klage.

Zur Begründung führen sie aus, dem Insolvenzverwalter stünde das gemäß § 26 EStG den Eheleuten eingeräumte Veranlagungswahlrecht nicht zu. Bei der Ausübung des Veranlagungswahlrechts handele es sich um ein höchstpersönliches Recht der Eheleute, das weder der Pfändung unterliege noch in die Insolvenzmasse falle. Die vom Insolvenzverwalter gewählte getrennte Veranlagung würde zu einer Übermaßbesteuerung führen, die gegen Art. 6 GG verstoße.

Nachdem der Kläger zu 2. die Klage zurückgenommen hat, beantragt nunmehr nur noch die Klägerin zu 1.,

die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003 vom 05.01.2006 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 04.09.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie und den Kläger zu 2. gem. § 26 Abs. 1 EStG zusammen zu veranlagen,

hilfsweise,

die Revisio...

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