Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenschluss von zwei Genossenschaften

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird im Rahmen eines Zusammenschlusses von Molkereigenossenschaften vereinbart, dass sich eine Molkereigenossenschaft auflöst, ihre Mitglieder die Mitgliedschaft in die andere Molkereigenossenschaft beantragen und im Rahmen der Auflösung entsprechend ihrer Milchlieferungsmenge Mitgliederscheine bei der aufnehmenden Genossenschaft erhalten, sind die Anschaffungskosten für die Mitgliedscheine an der aufnehmenden Genossenschaft nach ihrem gemeinen Wert zum Übertragungszeitpunkt zu ermitteln. Unerheblich ist insoweit, welche Anschaffungskosten die sich auflösende Genossenschaft je Schein aufgewandt hat.

 

Normenkette

BewG § 9; EStG § 6

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.02.2016; Aktenzeichen IV B 23/15)

 

Tatbestand

Die Klägerin zu 1 ist eine Kommanditgesellschaft. An ihr sind der Landwirt N als Komplementär und seine vier Töchter als Kommanditisten beteiligt. Die Klägerin zu 1 ist die Rechtsnachfolgerin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). An der GbR waren in den Streitjahren 2002 und 2003 der Landwirt N, dessen Ehefrau N1 (Klägerin zu 2) und der Landwirt D (Kläger zu 3) beteiligt. Der Kläger zu 3 schied im Jahr 2006 und die Klägerin zu 2 im Jahr 2008 aus der GbR aus. 2008 wurde die GbR in eine KG umgewandelt.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, inwieweit bei der GbR als Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1 im Rahmen des Zusammenschlusses der Molkereigenossenschaft Q eG (Q) mit der niederländischen Molkereigenossenschaft U (U) in den Streitjahren ein Liquidationserlös zu versteuern ist.

Die (damalige) GbR betrieb einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung. Sie ermittelte ihren Gewinn des abweichenden Wirtschaftsjahres 2002/2003 (1.5.2002 bis 30.4.2003) in den Streitjahren durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG.

Die Klägerin zu 1 lieferte ihre Milch an die damalige Molkereigenossenschaft Q eG (Q). An dieser Genossenschaft hielt sie zum 30.4.2002 Geschäftsanteile mit einem Nennwert von 54.101,37 €, die entsprechend in der Bilanz ausgewiesen wurden. Dies entsprach unstreitig auch dem Nennwert zum 31.12.2002.

Die damalige Q und die niederländische Molkereigenossenschaft U … (U) vereinbarten bereits 1999 einen Zusammenschluss. Da eine grenzüberschreitende „Verschmelzung” zum damaligen Zeitpunkt noch nicht möglich war, wurden zivilrechtliche Verträge abgeschlossen, die einer Fusion wirtschaftlich nahe kommen sollten.

Die vertraglichen Grundlagen dieses Zusammenschlusses waren im Wesentlichen in folgenden Dokumenten geregelt:

  1. Letter of Intent vom 10.12.1999 (Bl. 61 ff der FG-Akte)
  2. Vereinbarung über die Zusammenführung von U … und Q eG vom 29.12.2000 (Urkunde Nr. 1 des Notars E; Bl. 71 ff der FG-Akte)
  3. Neufassung des Statuts von Q – Stand 12/2000 – (Bl. 104 ff der FG-Akte)
  4. Neufassung der Satzung von U … – Stand 12/2000 – (Bl. 125 der FG-Akte)

Mit diesem Vertragswerk wurde im Wesentlichen vereinbart, dass sich die Q auflösen sollte, die Mitglieder der Q die Mitgliedschaft bei der U beantragen und im Rahmen der Auflösung entsprechend ihrer Milchlieferungsmenge Mitgliederscheine bei der U erhalten sollten.

In den o.g. Vereinbarungen finden sich insoweit im Einzelnen u.a. folgende Regelungen:

In dem „Letter of Intent vom 10.12.1999” ist die Grundstruktur der geplanten Zusammenführung beschrieben. Danach sollte Q zunächst als besonderes Mitglied der U (Sondermitgliedschaft) beitreten und in diesem Zusammenhang bereits einen Großteil ihres Vermögens auf die U übertragen (Phase 1). Im Gegenzug sollte die Q entsprechend der von ihren Genossen gelieferten Gesamt-Milchmenge Mitgliederscheine bei der U erhalten. Die sog. Phase 2 betrifft den Zusammenschluss der beiden Genossenschaften im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten. In dieser Phase sollten die Q-Mitglieder der U beitreten, und das restliche Vermögen der Q sollte auf U übertragen werden, soweit es nicht zum Ausgleich von Verbindlichkeiten benötigt werde. Dazu gehörte auch die Auszahlung der Geschäftsguthaben an Q-Mitglieder, die nicht zur U wechseln wollten. Die bis zu diesem Zeitpunkt von der Q im Rahmen ihrer Sondermitgliedschaft gehaltenen Mitgliederscheine an der U sollten entsprechend der jeweils gelieferten Milchmenge anteilig auf die übergehenden Genossen übertragen werden. Nach Vermögensübertragung und Wechsel der Q-Mitglieder zur U sollte die Q beendet werden. In Phase 3 sollten alle nationalen Sonderregelungen wegfallen.

Mitglieder der Q, die während der Phase 1 ausschieden, sollten nur ihr Q-Geschäftsguthaben erstattet bekommen und keinen etwaigen darüber hinausgehenden Liquidationserlös. Entsprechendes galt für Mitglieder, die während der Phase 2 ausschieden. Mitglieder, die Anteile an der U übernahmen, bekamen ihr Geschäftsguthaben bei der Q nicht zusätzlich ausgezahlt.

In der o.g. „Urkunde Nr. 1 vom 29.12.2000” (Vereinbarung) wurde die Umsetzung des im Letter of lntent beschriebenen Zusammenschlusses im Einzelnen geregelt. Danach trat die Q...

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