Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzbeschlagnahme von Steuererstattungsansprüchen im Nachtragsverteilungsbeschluss

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Steuererstattungsansprüche unterliegen nur dann dem Insolvenzbeschlag, wenn sie im Nachtragsverteilungsbeschluss hinreichend bestimmt bezeichnet worden sind.

2) Für die zeitliche Konkretisierung reicht es aus, wenn der Beschluss die "auf die Dauer des Insolvenzverfahrens entfallenden" Steuererstattungsansprüche benennt.

3) Für die gegenständliche Konkretisierung ist die Anwendung der für die Pfändung von Steuererstattungsansprüchen nach § 46 Abs. 6 AO geltenden Maßstäbe nicht geboten.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, §§ 46-47, 251; InsO §§ 35, 80, 203; AO § 218 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.09.2016; Aktenzeichen VII R 10/15)

BFH (Urteil vom 20.09.2016; Aktenzeichen VII R 10/15)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist zum einen streitig, ob ein Einkommensteuererstattungsanspruch aufgrund eines Nachtragsverteilungsbeschlusses des Insolvenzgerichts noch dem Insolvenzbeschlag unterlegen hat und daher nicht mit befreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner hätte ausgezahlt werden dürfen. Zum anderen bestreitet der Beklagte die Berechtigung der Klägerin als vormalige Insolvenzverwalterin und jetzige Treuhänderin über das Vermögen des Insolvenzschuldners, gegen einen Abrechnungsbescheid vorzugehen, in dem das Erlöschen des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Auszahlung an den Insolvenzschuldner festgestellt wird.

Mit Beschluss des Amtsgerichts K zum Aktenzeichen 1 war am …07.2008 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn A (Insolvenzschuldner) eröffnet worden. Zur Treuhänderin über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde die Klägerin bestellt.

Mit Beschluss vom 05.05.2010 wurde dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung gemäß § 291 InsO angekündigt. In dem Beschluss wurde ausgeführt, dass der Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung erlange, wenn er in der Laufzeit seiner Abtretungserklärung vom 09.06.2008 den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkomme und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 InsO oder § 298 InsO nicht vorlägen.

Die bisherige Treuhänderin, die Klägerin, solle kraft Gesetzes die Aufgaben der Treuhänderin nach §§ 291 Abs. 2, 292 InsO wahrnehmen (§ 313 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Laufzeit der Abtretung habe mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am …07.2008 begonnen und betrage sechs Jahre.

Mit Beschluss des Amtsgerichts K vom ….06.2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners mangels einer zu verteilenden Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 InsO). In dem Beschluss heißt es weiter: „Hinsichtlich etwaiger – auf die Dauer des Insolvenzverfahrens entfallender – Steuererstattungsansprüche wird die Nachtragsverteilung angeordnet (§ 203 Abs. 1 InsO)”. Weiterhin wurde in dem Beschluss mitgeteilt, dass dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung angekündigt worden sei.

Für den Veranlagungszeitraum 2009 nahm der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 13.12.2010 eine Zusammenveranlagung des Insolvenzschuldners und seiner Ehefrau vor, wobei in den Erläuterungen zu diesem Bescheid darauf hingewiesen wurde, dass die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung geschätzt worden seien.

Dieser Bescheid weist im Abrechnungsteil einen Gesamterstattungsbetrag in Höhe von 596,10 aus. Entsprechend dem Verhältnis der Lohnsteuerabzugsbeträge bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit der Eheleute (58,55 % zu 41,45 %) errechnete der Beklagte einen anteiligen Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners, der sich wie folgt zusammensetzte:

Einkommensteuer 2009

=

188,53 €

Solidaritätszuschlag 2009

=

60,86 €

römisch/katholische Kirchensteuer 2009

=

99,62 €

Steuererstattungsanspruch insgesamt

=

349,01 €

Diesen Gesamterstattungsbetrag zahlte der Beklagte an den Insolvenzschuldner unmittelbar aus und teilte dies der Klägerin am 16.12.2010 mit.

Mit Schreiben vom 30.12.2010 forderte die Klägerin den Beklagten zur Auszahlung des Steuererstattungsbetrages auf das Treuhandkonto auf, da auf Grund der angeordneten Nachtragsverteilung dieser Betrag nicht mit schuldbefreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner habe ausgezahlt werden können.

Mit Schreiben vom 06.01.2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass über die Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis beträfen, die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheide. Zur Klärung der Frage, ob der Beklagte den Einkommensteuererstattungsanspruch mit schuldbefreiender Wirkung an den Steuerpflichtigen ausgezahlt habe, ergehe daher der in der Anlage beigefügte Abrechnungsbescheid vom 06.01.2011.

In diesem Abrechnungsbescheid weist der Beklagte den genannten Einkommensteuererstattungsanspruch aus und stellt fest, dass dieser durch Auszahlung an den Steuerpflichtigen erloschen sei. In den Erläuterungen dieses Abrechnungsbescheides führt der Beklagte aus, dass der Nachtragsve...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge