Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung der Nichtveranlagungsbescheinigung für Vergütungen/Erstattungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Nichtveranlagungsbescheinigung erlangt materielle Wirkung, als sie nach §§ 36bAbs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2, 44b Abs. 1 EStG zwingendes Tatbestandsmerkmal für denKörperschaftsteuervergütungs- und Kapitalertragsteuererstattungsanspruch ist. Die vomWohnsitzfinanzamt erteilte Nichtveranlagungsbescheinigung ist ein Grundlagenbescheidim Verhältnis zur Erstattungs- bzw. Vergütungsbehörde.

2) Die Körperschaftsteuervergütung und Kapitalertragsteuererstattung erfolgt auch imSammelantragsverfahren auf der Grundlage eines Verwaltungsakts.

 

Normenkette

EStG §§ 36b, 36c, 44b; AO 1977 § 171 Abs. 10

 

Tatbestand

Streitig ist die Rückforderung von vergüteter Körperschaftsteuer sowie erstatteterKapitalertragsteuer aufgrund von Sammelanträgen nach §§ 36 b, c, 44b EStG.

Der Kläger hatte seinen Wohnsitz ursprünglich in A.. Mit Wirkung vom 15.11.1979 wurde er– zunächst für 3 Jahre – von seinem Arbeitgeber, der XY A. (XY), an eine Niederlassung inLondon entsandt. Daraufhin gab er im Jahre 1980 seine bisherige Wohnung in A. auf,vermietete sie und zog mit seiner Familie nach Großbritannien.

Aufgrund eines Ermittlungsfehlers des seinerzeit zuständigen Finanzamtes A.-B. wurde ihm aufseinen Antrag hin eine Nichtveranlagungsbescheinigung u. a. für das Streitjahr 1981 erteilt.

Unter Berücksichtigung dieser Nichtveranlagungsbescheinigung wurde von der XY inVertretung des Klägers in mehreren Sammelanträgen nach §§ 36 c, 44b EStG die Vergütungvon Körperschaftsteuer i.H.v. … DM sowie die Erstattung von Kapitalertragsteuer i.H.v. … DMbeantragt und vom Beklagten antragsgemäß vergütet bzw. erstattet.

In der Folgezeit widerrief das Finanzamt A.-B. die Nichtveranlagungsbescheinigung undinformierte darüber auch den Beklagten. Dieser forderte daraufhin seinerseits vom Kläger dievergütete Körperschaftsteuer sowie die erstattete Kapitalertragsteuer mit Bescheid vom19.10.1983 zurück. Das gegen diesen Rückforderungsbescheid angestrengteEinspruchsverfahren wurde zunächst ausgesetzt bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf,den der Kläger gegen den Widerruf der Nichtveranlagungsbescheinigung eingelegt hatte. DiesesRechtsmittelverfahren endete schließlich mit der Entscheidung des BFH vom 16.10.1991 I R65/90 (BStBl II 1992, 322). Aufgrund dieser höchstrichterlichen Entscheidung hob dasFinanzamt A.-B. den Widerruf der Nichtveranlagungsbescheinigung für 1981 und 1982 auf. MitSchreiben vom 15.03.1993 wurde dem Beklagten mitgeteilt, daß die gegen dieEinkommensteuerbescheide 1981 und 1982 eingelegten Einsprüche abgeschlossen worden seienund daß für diese Jahre von einer beschränkten Steuerpflicht des Klägers auszugehen sei.Daraufhin nahm der Beklagte die Bearbeitung des ausgesetzten Einspruchsverfahrens wiederauf und wies mit Entscheidung vom 14.12.1994 den Einspruch gegen die Rückforderung vonvergüteter Körperschaftsteuer und erstatteter Kapitalertragsteuer als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, daß die Grundlage für dieRückforderung wegen der Aufhebung des Widerrufs der Nichtveranlagungsbescheinigung für1981 und 1982 weggefallen sei. Wenn das Finanzamt A.-B. seinerzeit dieNichtveranlagungsbescheinigung nicht widerrufen hätte, wäre der Beklagte nicht tätiggeworden.

Es sei zwar zutreffend, daß in London ein Wohnsitz begründet worden sei, es habe jedochweiterhin in Norddeutschland, bei den Eltern des Klägers, ein weiterer Familienwohnsitzbestanden, da seine Ehefrau ein Kind erwartet habe und geplant gewesen sei, in Deutschlandweiterhin den Wohnsitz aufrecht zu erhalten, um auch wieder nach der kurzen Abordnungszeitzurückkommen zu können. Dies werde u. a. auch dadurch dokumentiert, daß die Wertpapiereweiterhin in einem Depot in Deutschland belassen worden seien. Als Beweis für seineWohnsitzverlegung von A. nach C. legt er eine Bestätigung seiner Mutter vor (Bl. 68 GA).

Eine konkurrierende Steuerfestsetzung beim Finanzamt A.-B. einerseits und beim Beklagtenandererseits sei unzulässig, zumal durch den auf 0,– DM lautenden Steuerbescheid durch dasFinanzamt A.-B. das Verfahren beendet worden sei. Er – der Kläger – könne bei dieserSteuerfestsetzung davon ausgehen, daß die Angelegenheit nunmehr erledigt sei.

Auch der BFH habe in seinem o.g. Urteil ausgeführt, daß die tatbestandsmäßigenVoraussetzungen für die Entscheidung über den Vergütungsanspruch solange bestünden, wiedie Nichtveranlagungsbescheinigung rechtswirksam sei. Für die Besteuerung für die Einkünfteaus Kapitalvermögen habe das Finanzamt A.-B. im dortigen Steuerfestsetzungsverfahrenentscheiden müssen. Daß der Beklagte ersatzweise ein zweites Verfahren eröffnet habe, bewirkenunmehr, daß die seinerzeit begünstigende Nichtveranlagungsbescheinigung durch einenachteilige Verfügung rückwirkend ersetzt werde. Dies sei im Hinblick auf die denkbarenÄnderungsvorschriften der §§ 129 bis 132 AO nicht zulässig.

Der Beklagte könne den Rückforderungsbescheid...

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