Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachversteuerung von Berufsunfähigkeitsrenten
Leitsatz (redaktionell)
1) Berufsunfähigkeitsrenten, die auf eine bestimmte Laufzeit beschränkt sind oder zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Tod des Versicherten enden, sind abgekürzte Leibrenten, deren Ertragsanteile nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Satz 4 EStG i.V. mit § 55 Abs. 2 EStDV zu ermitteln sind.
2) Wer bei Ausfüllen der Anlage KSO keine Angaben zu der Frage nach Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten und Renten aus Versicherungsverträgen macht, handelt hinsichtlich der Steuerverkürzung zumindest mit Eventualvorsatz, wenn er tatsächlich solche Leistungen bezogen hat und ihm die generelle Steuerpflicht von Renteneinkünften geläufig ist.
Normenkette
EStDV § 55 Abs. 2; AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 370; EStG § 22 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In den zu Grunde liegenden Einkommensteuererklärungen, die unter Mithilfe eines Steuerberaters erstellt worden waren, erklärten sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Dentallabormitarbeiter/Verwaltungsangestellte in Höhe von ca. 40.000 DM / 42.000 DM p.a. und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zwischen 2.916,01 DM und 19.567 DM. Diese Steuererklärungen legten die Kläger jeweils in dem dem Veranlagungsjahr folgenden Jahr vor. Die jeweils erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheide wurden bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 17.3.2006 legten die Kläger, nunmehr vertreten durch den Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren, eine Nacherklärung über den Bezug von Berufsunfähigkeitsrenten der A-Versicherung (A-Versicherung) und der B-Versicherung (B-Versicherung) durch den Kläger ab dem 1.1.1990 vor und baten um Änderung der ergangenen Einkommensteuerbescheide ab dem Jahr 2000. Der steuerliche Berater erklärte hierzu, dass ihm bei der erstmaligen Auftragserteilung der Kläger der bisher unversteuerte Bezug der Berufsunfähigkeitsrenten aufgefallen sei. Der Kläger sei bisher nicht von einer Steuerpflicht ausgegangen. Ein absichtliches Verschweigen liege nicht vor. In den Unterlagen und den jährlichen Änderungsmitteilungen beider Versicherungen werde nicht eindeutig auf eine mögliche Steuerpflicht hingewiesen. Der Vorwurf, dass der Kläger sich über die steuerliche Behandlung nicht oder nicht ausreichend informiert habe, könne ihm nur bedingt gemacht werden, da er von einem anderen Steuerpflichtigen erfahren habe, dass dieser eine Unfallrente beziehe, die vom Finanzamt als steuerfrei behandelt worden sei. Wäre dem Kläger die Steuerpflicht bewusst gewesen, hätte er die bis zum 31.3.2005 geltende Regelung der Steueramnestie in Anspruch nehmen können, was zumindest für einige Jahre zu einer niedrigeren Besteuerung geführt hätte. Erst das seit dem Jahr 2005 geltende Alterseinkünftegesetz habe dazu geführt, dass in den Mitteilungen der A-Versicherung erstmals bzw. verstärkt auf eine mögliche Steuerpflicht hingewiesen worden sei. Erst dadurch habe der Kläger sich gezwungen gesehen, eine fachkundige Auskunft einzuholen. Da somit eine vorsätzliche Steuerhinterziehung ausscheide, komme eine steuerliche Erfassung der Renten in den Streitjahren wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr in Betracht.
Der Beklagte schätzte daraufhin unter Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mit Bescheiden vom 29.9.2006 die Höhe der Renteneinnahmen, die er mit einem Ertragsanteil von jeweils 51% der Besteuerung unterwarf.
Mit den dagegen gerichteten Einsprüchen wiesen die Kläger darauf hin, dass der Ertragsanteil der Renten nach § 55 EStDV auf der Basis einer Laufzeit von 17 Jahren zu ermitteln sei, da diese am 31.3.2007 mit Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers endeten. Weiterhin bezifferten sie nunmehr die zwischen rd. 42.000 DM und 47.500 DM liegende Höhe der in den Streitjahren bezogenen Renten. Ein auch nur bedingter Vorsatz in Bezug auf die Verkürzung der auf die Renten entfallenden Steuern liege nicht vor. Allenfalls komme eine leichtfertige Steuerverkürzung im Sinne des § 378 AO in Betracht. Bei der Besteuerung von Renteneinkünften in den Streitjahren habe ein von dem Steuergläubiger zu vertretendes Vollzugsdefizit vorgelegen. Damit habe der Steuergläubiger zu der weit verbreiteten Auffassung beigetragen, dass Rentner keine Steuern zu zahlen hätten. Überdies gebe es auch Renten, die steuerfrei seien. Die rechtliche Einordnung von Unfallrenten sei in der Praxis der Finanzbehörden nicht immer eindeutig gewesen. Der Kläger habe angenommen, dass eine privat abgeschlossene Versicherung im Versicherungsfalle nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führe.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 27.2.2008 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzungen der Streitjahre in der Weise, dass er die Renten nunmehr in erklärungsgemäßer Höhe und mit Ertragsanteilen von 31 % (A-Versicherung) und 36 % (B-Versicherung) der Besteuerung unterwarf. Dabei ging er davon aus, dass die private Berufsunfä...