Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss von der mündlichen Prüfung zum Steuerberaterexamen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Durchführung einer Prüfung zum Steuerberaterexamen ist die Chancengleichheit nicht dadurch verletzt, dass ein Prüfungsteilnehmer zufällig eine Prüfungsaufgabe zur Bearbeitung erhält, die er bereits ganz oder teilweise kennt.

2. Eine Prüfungsbehörde ist verpflichtet, alles zu tun, um eine solche Kenntnis zu vermeiden, gänzlich ausschließen lassen sich Zufälle dieser Art jedoch nicht.

 

Normenkette

DVStB §§ 25, 25 Abs. 2; GG Art. 3, 3 Abs. 1; DVStB § 15

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Klägerin zu Recht von der mündlichen Steuerberaterprüfung ausgeschlossen hat.

Die Ertragsteuerklausur in der Steuerberaterprüfung 1997 war einigen Bewerbern bekannt. Der mit der Aufgabenstellung für die Ertragsteuerklausur beauftragte Beamte des Freistaates Sachsen hatte als Vorlage eine von ihm überarbeitete Übungsklausur des A. aus dem Jahre 1993 verwendet und als eigenen Aufgabenentwurf ausgegeben. Die Übungsklausur wurde, was der fragliche Beamte nicht wußte, im Jahre 1997 von dem A. auch selbst überarbeitet und erneut als Übungsklausur in einem Vorbereitungskurs geschrieben. Diese Umstände waren den für die Durchführung der Steuerberaterprüfung verantwortlichen obersten Finanzbehörden der Länder nicht bekannt. Hiervon haben sie vielmehr erst nach der schriftlichen Steuerberaterprüfung, aber vor der Bewertung der Klausuren erfahren.

Der Beklagte teilte der Klägerin durch Bescheid vom … mit, daß der Prüfungsausschuß für Steuerberater für die von ihm in der Steuerberaterprüfung 1997 geschriebenen Aufsichtsarbeiten folgende Noten festgesetzt habe:

Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete

6,0

Ertragsteuerrecht

5,0

Buchführung und Bilanzwesen

5,0.

Da die Gesamtnote für die schriftliche Prüfung somit 5,33 betrage, sei die Klägerin nach § 25 Abs. 2 DVStB von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und habe mithin die Steuerberaterprüfung 1997 nicht bestanden.

Mit der dagegen … erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, bei der Steuerberaterprüfung 1997 sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt worden, weil die Ertragsteuerklausur vorab einer unbekannten Anzahl von Anwärtern bekannt gewesen sei, so daß diese die Lösungen hätten „herunterschreiben” können. Im übrigen meint die Klägerin, für die beiden anderen Klausuren hätten ihr noch weitere Punkte gutgebracht werden müssen. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13.06.1998 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom … aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, sie zur mündlichen Steuerberaterprüfung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Grundsatz der Chancengleichheit gebiete zwar, möglichst gleichmäßige äußere Rahmenbedingungen bei der Prüfung für alle Prüfungskandidaten zu schaffen, um damit allen Prüflingen gleiche Erfolgschancen einzuräumen. Von einer Bevorzugung könne jedoch nur dann die Rede sein, wenn die Prüfungsbehörde in Kenntnis der Tatsache, daß einem Teil der Prüfungskandidaten die Lösung einer Klausur bekannt oder zumindest vertraut ist, die Aufgabe trotzdem stellt und damit diese Kandidaten gegenüber den übrigen Kandidaten, die die Arbeit nicht kennen, bevorzugt. Im Streitfall könne von einer bewußten Bevorzugung oder Benachteiligung von Prüfungskandidaten aber nicht gesprochen werden. Denn die Prüfungsbehörden hätten erst nach der schriftlichen Steuerberaterprüfung 1997 erfahren, daß die Ertragsteuerklausur einigen Prüfungskandidaten bekannt war. Die Kenntnis des „Klausurverfassers” sei den einzelnen Prüfungsbehörden nicht zuzurechnen. Die Teilnehmer an den Kursen des Steuerrechts-instituts Knoll seien also nicht bewußt bevorzugt worden. Vielmehr hätten diese Kandidaten, deren Anzahl nicht bekannt sei, lediglich zufällig das „Glück” gehabt, eine Prüfungsaufgabe zur Bearbeitung zu erhalten, auf die sie durch die Teilnahme an den Veranstaltungen des Steuerrechtsinstituts gut vorbereitet waren. Im übrigen gäbe es keinen Rechtssatz, der es einer Prüfungsbehörde verbiete, bei der Auswahl ihrer Arbeiten auf bereits veröffentlichte Fälle zurückzugreifen.

Zu einer Benachteiligung der Klägerin sei es auch deshalb nicht gekommen, weil die Bewertungskriterien für die Steuerberaterprüfung bereits im Vorfeld der schriftlichen Prüfung festgelegt würden. Sie orientierten sich nicht an einer irgendwie gearteten Durchfallquote, sondern an einem absoluten Bewertungsmaßstab. Das Prüfungsverfahren ziele darauf ab, die wahren Leistungen und Befähigungen des einzelnen Prüflings zu ermitteln. Der Prüfling solle mit der Prüfung darlegen, daß er in der Lage sei, den Beruf als Steuerberater ordnungsgemäß auszuüben. Die Qualität der von dem einzelnen Prüfungskandidaten gezeigten Leistung ändere sich nicht dadurch, daß ein anderer Prüfungskandidat durch eine gewisse Unzulänglichkeit des Prüfungsverfahrens einen Vorteil erlange. Ein Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführ...

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