Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Nachzahlungszinsen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine verzögerte Bearbeitung der Steuererklärung rechtfertigt keinen Erlass von Nachzahlungszinsen.

2) Auch der Umstand, dass tatsächlich keine Zinsvorteile gezogen wurden, rechtfertigt keinen Erlass von Nachzahlungszinsen.

3) Auch der Umstand, dass die streitigen Steuern zunächst an einen anderen Staat gezahlt wurden und dann im Anschluss an ein Verständigungsverfahren ein Besteuerungsrecht Deutschlands festgestellt wurde, rechtfertigt keinen Erlass von Nachzahlungszinsen. Gleiches gilt hinsichtlich eines möglichen Erlasses von Aussetzungszinsen.

 

Normenkette

AO §§ 233a, 237, 227

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob Nachzahlungs- bzw. Aussetzungszinsen zu erlassen und zu erstatten sind.

Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2002 sind gegen die Kläger Nachzahlungszinsen im Sinne von § 233a AO i.H.v. 5.766 und im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung 2003 i.H.v. 21.188 EUR festgesetzt und erhoben worden. Mit Zinsbescheid vom 16.12.2009 sind Aussetzungszinsen von insgesamt 121.629 EUR festgesetzt worden, welche auf eine Einkommensteuernachzahlung für 2002 in Höhe von ca. 28.000 EUR sowie eine Einkommensteuernachzahlung für 2003 in Höhe von ca. 558.750 EUR entfielen.

Die Einkommensteuernachzahlungen resultierten unstreitig aus der Umsetzung einer zwischen der deutschen und der britischen Finanzverwaltung erzielten Verständigung hinsichtlich der Zuordnung von Einkünften aus den Jahren 2002 und 2003 gemäß einem bilateralen Verständigungsvorschlag vom 06.04.2009, dem die Kläger zugestimmt hatten.

Im Anschluss beantragten die Kläger den Erlass der festgesetzten Zinsen. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14. 6. 2010 ab. Hiergegen wandten sich die Kläger mit Einspruch vom 01.07.2010, welcher mit Einspruchsentscheidung vom 14.03.2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass sachliche Billigkeitsgründe für einen Erlass der Zinsen in einer Gesamthöhe von 72.235 EUR sowie die Erstattung dieses bereits gezahlten Betrages nicht vorliegen würden. Die Verzinsung nach § 233a AO sei gesetzlich vorgeschrieben und stehe nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Dies gelte auch für Verzögerungen bei der Steuerfestsetzung und einer daraus resultierenden langen Verfahrensdauer, selbst wenn diese allein vom Finanzamt zu vertreten sei. Hintergrund sei, dass die Vorschrift verschuldensunabhängig ausgestaltet sei. Die Vorschrift sei kein Sanktions- bzw. Druckmittel, sondern solle lediglich den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen und den Zinsnachteil des Steuergläubigers ausgleichen. Auch die Kumulierung der britischen und der deutschen Steuerfestsetzung rechtfertige keinen Billigkeitserlass. Soweit bei den Klägern eine Doppelbelastung zeitweise – und durch die Veränderung von Umrechnungskursen auch endgültig – eingetreten sein sollte, so stelle dies eine typische Belastung durch die Beteiligung zweier Steuerverwaltungen dar. Sie rechtfertige keinen Erlass aus Billigkeitsgründen. Gerade im Hinblick auf die Wechselkursschwankungen sei zu berücksichtigen, dass solche auch zu Gunsten der Kläger hätten eintreten können. Hierbei handele es sich also nicht um ein ausschließlich vom Fiskus zu vertretendes Risiko.

Gleiches gelte für die Aussetzungszinsen. Diese seien nach § 237 AO auch bei längerer Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens zu bezahlen. Dies gelte selbst bei schuldhaft verzögerter Rechtsbehelfsbearbeitung. Durch die Zinsen solle unter anderem auch der Zinsnachteil des Steuergläubigers durch die nicht rechtzeitige Zahlung von streitigen Steuern ausgeglichen werden.

Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihrer Klage vom 15.04.2011.

Zur Begründung trugen sie vor, dass die Einkommensteuerfestsetzungen 2002 und 2003 in erheblichem Umfang bereits im Veranlagungsverfahren verzögert worden seien. Sodann hätten sich erhebliche Verzögerungen durch die bilateralen Verständigungen mit der britischen Verwaltung ergeben. Daneben sei der Umstand zu berücksichtigen, dass bereits 3 Monate nach Einreichen der deutschen Steuererklärung die britische Finanzverwaltung am 31.01.2005 die Erhebung abgeschlossen habe und hierdurch zeitlich versetzt nacheinander ohne die Möglichkeit einer Einflussnahme durch den Steuerpflichtigen eine Doppelbesteuerung erfolgt sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass nach der Verständigung es zu einer Erstattung durch die britische Steuerbehörde i.H.v. 38.603 £ kam, deren Wert aufgrund eines extrem verschlechterten Umrechnungskurses nicht mit den Werten der nunmehr bestandskräftig geworden Einkommensteuerfestsetzung – welche von erheblich höheren Umrechnungskursen ausging – vergleichbar gewesen wäre. Dies habe einen Liquiditätsnachteil im Umfang von nahezu 100.000 EUR bedeutet.

Im Einzelnen habe der Beklagte während des Veranlagungs- und des ersten Einspruchsverfahrens 2002 bei einer Gesamtdauer von 39 Monaten eine Verzögerung von 12 Monaten verursacht. Hinsichtlich des zweiten ...

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