Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Kindergeld: Kindergeldberechtigung eines Deutschen für sein Kind, das im Haushalt der im EU-Ausland lebenden Kindesmutter aufgenommen ist

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht nach den Rechtsvorschriften mehrerer EU-Mitgliedstaaten nur insgesamt ein Anspruch auf Kindergeld für nur eine Person, kann ein Kindergeldanspruch anderer Personen nicht aufgrund europäischer Vorschriften fingiert werden.

 

Normenkette

EGV 883/2004 Art. 67 S. 1; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 68; EGV 883/2004 Art. 11 Abs. 3, Art. 87 Abs. 8 S. 1; DVO (EG) Nr. 987/2009 Art. 60 Abs. 1 S. 2; EStG 2010 § 64 Abs. 2 S. 1, § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob einem Anspruch des Klägers auf Festsetzung von Kindergeld europäische Rechtsvorschriften entgegenstehen.

Der Kläger, deutscher Staatsangehöriger, ist leiblicher Vater des Kindes A, geboren am .... Der Kläger hatte im Streitzeitraum seinen alleinigen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hamburg. Er war - schon seit Oktober 1998 - selbständig in Deutschland als ... tätig. Die von dem Kläger geschiedene Kindesmutter hatte im Streitzeitraum ihren alleinigen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in B, Polen. Sie übte eine Vollzeiterwerbstätigkeit bei der C ... (C) in D, Polen, aus.

A lebte im Streitzeitraum im Haushalt seiner Mutter in Polen. Er besuchte im Jahr 2010 bis einschließlich Juni 2010 das Allgemeinbildende Lyzeum in B. Am 01.10.2010 begann er das Studium an der Fakultät ..., ... und ... der E (E Technische Hochschule), wobei er dies im Streitzeitraum ab Oktober 2010 in B ausübte (auswärtiger Verbund der Technischen Hochschule E). A hatte in den Jahren 2010 und 2011 keine eigenen Einkünfte und Bezüge.

Polnische Familienleistungen wurden nach Auskunft der zuständigen polnischen Behörde vom 18.11.2011 und vom 04.06.2012 der Kindesmutter nicht gewährt.

Die Beklagte hob die ursprüngliche Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn A mit Bescheid vom 19.04.2010 ab Juli 2010 wegen dessen voraussichtlichen Ausbildungsendes im Juni 2010 auf. Einen Einspruch hiergegen legte der Kläger nicht ein.

Am 18.11.2010 beantragte der Kläger die Festsetzung des Kindergeldes für seinen Sohn A. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.11.2010 ab, da sich die "EU-Rechtsvorschriften" ab Mai 2010 geändert hätten. Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger am 15.12.2010 Einspruch ein. Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.07.2011 zurück.

Am 22.08.2011 erhob der Kläger Klage. Er ist der Auffassung, es sei Kindergeld für seinen Sohn A festzusetzen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 24.11.2010 über die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für das Kind A, geboren am ..., in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.07.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für das Kind A für den Zeitraum Mai 2010 bis einschließlich Juli 2011 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, allein kindergeldberechtigt sei der Elternteil, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe, im Streitfall die Kindesmutter.

Die Beteiligten haben am 12.09.2012 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auch durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt.

Dem Gericht hat die Kindergeldakte der Familienkasse Hamburg - Bundesagentur für Arbeit -, Kindergeld-Nummer ..., vorgelegen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Berichterstatter entscheidet gemäß § 79a Abs. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

II. Die Klage betrifft die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn A für den Zeitraum Mai 2010 bis einschließlich Juli 2011.

Die Beklagte hat mit dem bestandskräftigen Aufhebungsbescheid vom 19.04.2010 nur über die Kindergeldfestsetzung bis einschließlich April 2010 entschieden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bindet die bestandskräftige Ablehnung oder Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nur bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe des Bescheides, ggf. der Einspruchsentscheidung (BFH-Urteil vom 05.07.2012 V R 58/10, juris; BFH-Beschluss vom 02.11.2011 III B 48/11, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2012, 265, mit weiteren Nachweisen - m. w. N. -).

Der im hiesigen Verfahren angefochtene Ablehnungsbescheid vom 24.11.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.07.2011 betrifft nur die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für den Sohn A von Mai 2010 bis einschließlich Juli 2011. Denn der Zeitraum, über den die Beklagte im Fall der Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld entscheidet, verlängert sich bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, wenn der Einspruch zulässig ist. Dieser zeitliche Regelungsbereich wird durch eine Klageerhebung nicht verändert, da im Hinblick auf die von der Verfa...

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