Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachzahlungszinsen und späte Veranlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen (§ 223a AO) ist nicht deshalb sachlich unbillig, weil der Steuerbescheid trotz durchgeführter Veranlagung erheblich verzögert bekannt gegeben wurde.

 

Normenkette

AO §§ 223a, 227a

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 02.08.2004; Aktenzeichen IV B 194/02)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Nachzahlungszinsen gemäß § 233a Abgabenordnung (AO) aus sachlichen Gründen zu erlassen sind, wenn das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid (ESt-Bescheid) erst fast zwei Jahre nach der durchgeführten ESt-Veranlagung versendet.

Die am 23.03.1998 von dem Kläger unterschriebene ESt-Erklärung für 1996 ging am 27.03.1998 bei dem Finanzamt Hamburg-... ein. Mit Schreiben vom 20.07.1999 erkundigte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei dem Finanzamt, wann mit der Steuerveranlagung für 1996 und 1997 gerechnet werden könne. Nach einem Aktenvermerk der zuständigen Sachbearbeiterin vom 29.07.1999 (Bl. 157 d. ESt-Akte) sagte diese telefonisch die sofortige Bearbeitung zu. Nach der auf dem Erklärungsformular enthaltenen Verfügung der Sachbearbeiterin wurde die Veranlagung am 29.07.1999 erledigt, wobei die Bearbeiterin innerhalb der Verfügung die Ziffer 7 ("von der Steuererklärung wurde abgewichen: ja"), Ziffer 8 ("zur Direkteingabe") und Ziffer 9 ("bei Direkteingabe: Daten freigeben") ankreuzte.

Am 06.10.2000 wurde der Beklagte für die ESt-Veranlagung des Klägers zuständig. Im Frühjahr 2001 wurde er durch die Liste der offenen Veranlagungen auf die angeblich noch fehlende Veranlagung 1996 aufmerksam. Nach einem Aktenvermerk vom 25.04.2001 sei die Veranlagung im Juli 1999 durchgeführt worden, die Freigabe anschließend aber versehentlich nicht erfolgt. Der ESt-Bescheid des Klägers für das Streitjahr, mit dem die ESt des Klägers auf ... DM festgesetzt wurde, wurde am 11.05.2001 zur Post gegeben. Daneben enthält der Bescheid eine Zinsfestsetzung nach § 233a Abs. 1 AO für einen zu verzinsenden Betrag von ... DM für den Zeitraum vom 01.04.1998 bis 14.05.2001 (37 Monate zu 0,5 v. H. = 18,5 v. H.) in Höhe von ... DM.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02. Juni 2001 beantragte der Kläger den Erlass der Zinsen in Höhe von 65 % des festgesetzten Betrages, da die Zinsfestsetzung grob unbillig sei. Man sei davon ausgegangen, dass die Steuer längst erhoben sei, sodass ein Verschulden des Finanzamtes zu der Zinsfestsetzung geführt habe. Mit Bescheid vom 08.06.2001 wurde der Erlass eines Teils der entstandenen Zinsen abgelehnt, da es für die Zinsfestsetzung für Steuernachzahlungen nicht darauf ankomme, wie es zu der späten Steuerfestsetzung gekommen sei. Der steuerlich beratene Kläger hätte eine Abschlusszahlung auch ohne Bescheid vorweg leisten können, um die Zinszahlung zu vermeiden. Zudem sei der ESt-Bescheid 1996 nicht überraschend gekommen, da der steuerliche Berater des Klägers noch im Juli 1999 an die ausstehenden Bescheide 1996 und 1997 erinnert habe. Nach dem Zugang des Bescheides für 1997, der am 12.08.1999 zur Post gegeben worden sei, hätte an den fehlenden Bescheid für 1996 erinnert werden können. Der Kläger legte mit Schreiben vom 16. Juni 2001, mit dem er Dienstaufsichtsbeschwerde erhob und einen Schadensersatzanspruch in Höhe von ... DM wegen einer Amtspflichtverletzung geltend machte, zugleich Einspruch ein. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03.07.2001 zurück, da die Zinsfestsetzung inzwischen bestandskräftig geworden sei und persönliche Billigkeitsgründe weder vorgetragen noch sonst erkennbar seien.

Mit seiner am 16.07.2001 erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin den Erlass von 65 % der festgesetzten Nachzahlungszinsen. Zur Begründung trägt er vor, dass der BFH über die Frage, ob Nachforderungszinsen, die aufgrund amtspflichtwidriger überlanger Bearbeitungsdauer entstanden seien, erlassen werden müssten, bisher noch nicht entschieden habe. Der Gesetzeszweck, der mit § 233a AO erreicht werden solle, würde unterlaufen, wenn die Finanzverwaltung es in der Hand hätte, durch Versendungsverzögerung Steuerzinsen entstehen zu lassen. Der eingetretene Zinsschaden sei evident, da er - der Kläger - nicht die Möglichkeit gehabt habe, in dem fraglichen Zeitraum Zinsen in der festgesetzten Höhe zu erzielen. Die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass seien deshalb gegeben. Er - der Kläger - sei auch erlasswürdig, da er in den Jahren 1995-1998 sehr stark schwankende Einkünfte gehabt und auch in einem Monat Sozialhilfe habe beziehen müssen. Seinem steuerlichen Berater sei es nicht zuzumuten, fehlende Veranlagungen auf Termin zu legen und die Amtshandlungen der Finanzämter zu überwachen. Da die Steuererklärung - wenn auch unter Einhaltung einer entsprechenden Fristverlängerung - spät eingereicht worden sei, sei er bereit, 35 % der festgesetzten Nachzahlungszinsen zu tragen.

Der Kläger beantragt, den ablehnenden Bescheid betreffend den Erlass von Zinsen zur ESt 1...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge