Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung: Einspruchsrücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Empfangsvollmacht wirkt auch bei einer GbR im Abwicklungsstadium bis zum ausdrücklichen Widerruf.

Eine Einspruchsrücknahme kann grundsätzlich nicht widerrufen werden.

Das Finanzamt kann eine Einspruchsrücknahme nicht durch eine entsprechende Zusage ungeschehen machen.

 

Normenkette

AO §§ 110, 122, 125, 362

 

Tatbestand

Der Kläger und die Beigeladenen - Frau A und Herr B - waren zu je 1/3 an der Grundstücksgemeinschaft X-Straße beteiligt. Möglicherweise handelte es sich auch um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts; dies konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht mit Sicherheit geklärt werden. Der Grundstücksgemeinschaft gehörte aufgrund notariellen Vertrags vom 1. Februar 1995 ein bebautes Grundstück mit zehn Wohneinheiten (Wohnfläche insgesamt 572 m2) und zwei Gewerbeeinheiten (Nutzfläche 107 m2). Das am 1. Mai 1995 übernommene Grundstück wurde mit Wirkung vom 31. Januar 2000 verkauft.

Die Grundstücksgemeinschaft hatte der Beigeladenen dem Beklagten gegenüber am 6. September 1995 "uneingeschränkte Empfangsvollmacht" erteilt; das im Aktendeckel der Feststellungsakte Bd. II abgeheftete Schreiben war von allen drei Gesellschaftern unterzeichnet worden.

Die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Jahr 2000 ging am 2. August 2001 beim Beklagten ein. Sie war am 26. Juli 2001 von der Beigeladenen unterzeichnet worden. Die Unterschrift besteht nur aus einem oberen Haken, einem Abwärts- und einem Aufwärtsstrich sowie einem leicht gerundeten Abwärtsstrich; sie unterscheidet sich von der differenzierteren Unterschrift unter der Empfangsvollmacht.

Erklärt wurde ein laufender Verlust von 10.288 DM, von dem 3.685 DM auf den Kläger entfielen, und ein Veräußerungsgewinn von 540.825 DM, der dem Kläger und den Beigeladenen zu je 1/3, d.h. 180.275 DM, zugerechnet wurde.

Am 17. August 2001 erging ein erklärungsgemäßer Feststellungsbescheid, der der Beigeladenen als Empfangsbevollmächtigter "für die Grundstücksgemeinschaft ... (X-Straße)" bekannt gegeben wurde. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO vorläufig hinsichtlich der Anwendung des § 32c EStG, stand jedoch nicht unter Nachprüfungsvorbehalt. Dagegen legte die Hamburger Treuhand Gesellschaft C & Partner namens der Grundstücksgemeinschaft am 17. September 2001 Einspruch ein. C & Partner hatte die steuerlichen Angelegenheiten der Grundstücksgemeinschaft seit 1995 wahrgenommen und die Feststellungserklärung sowie die Einnahme-Überschussrechnung für 2000 angefertigt.

Nachdem der Beklagte am 9. Oktober 2001 an die Einspruchsbegründung erinnert hatte, wurde der Einspruch von C & Partner mit Schreiben vom 25. Oktober am 26. Oktober 2001 zurückgenommen. Unterzeichnet hatte der im Briefkopf der Gesellschaft an dritter Stelle genannte Wirtschaftsprüfer und Steuerberater S.

Der Veranlagungssachbearbeiter V fertigte am 30. Oktober einen Vermerk über ein Telefonat mit der "StBin von ...(C) & Partner", wonach diese mitgeteilt habe, die Rücknahme des Einspruchs vom 25.10.01 habe auf einem Fehler beruht. Die Einspruchsbegründung solle bis zum 5.11.01 geschickt werden. Darunter wurde vermerkt: "Rb wieder eingetragen Nr. .../2001, Wvl. f.d. 13.11.01".

Am 2. November 2001 meldeten sich die Steuerberater D und E für den Kläger und teilten mit, dieser habe die Vollmacht von Frau A widerrufen. Sie beantragten Aussetzung der Vollziehung und begründeten den Einspruch damit, dass die Neuregelung des § 23 Abs. 1 EStG gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG verstoße. Das 1995 erworbene Grundstück sei nach Ablauf der seinerzeitigen zweijährigen Spekulationsfrist bereits 1997 steuerentstrickt worden. Die danach in der privaten Vermögenssphäre eingetretenen Wertsteigerungen könnten nicht im Nachhinein wieder der Besteuerung unterworfen werden. Jedenfalls hätte der Gesetzgeber eine angemessene Übergangsregelung schaffen müssen.

Am 5. November ging beim Antragsgegner außerdem eine Einspruchsbegründung von C & Partner ein, die ebenfalls mit verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Verlängerung der Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre gestützt wurde.

Der Beklagte teilte am 15. November 2001 sowohl C & Partner als auch dem Steuerberater E mit, er halte die Einspruchsrücknahme für wirksam.

Der Kläger legte daraufhin am 23. November 2001 Einspruch ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist. Den Wiedereinsetzungsantrag begründete er mit der völligen Vergiftung seines Verhältnisses zu den Beigeladenen und dem Büro C seit Ende 1998. Die Beigeladene habe durch Überzahlungen an eine Bauunternehmung im Zusammenhang mit dem Umbau einer Wohnung im Objekt Y-Straße, das beide - die Beigeladene A und er, der Kläger - am 13.12.1996 dem Beigeladenen B abgekauft hätten, die Grundstücksgesellschaft Y-Straße erheblich geschädigt. Deshalb habe er auch Zivilklage gegen die Beigeladene erhoben, dem Büro C mit Schreiben ...

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