Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Begriff "leichtfertig" in § 378 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Eigenschaft einer Steuer als i.S.v. § 169 Abs. 1 S. 2 AO leichtfertig verkürzt kommt es nur darauf an, dass sie leichtfertig verkürzt worden ist, nicht darauf, wer dies getan hat. Wenn das Mandat eines Steuerberaters nicht nachweislich auch die verbrauchsteuerliche Beratung umfasst und es während der etwas 40-jährigen Mandatsbeziehung nie zu verbrauchsteuerlichen Fragestellungen gekommen ist, kann es allenfalls als leicht fahrlässig und nicht als leichtfertig angesehen werden, wenn ein Steuerberater eine sich aus zur Verbuchung überlassenen Beträgen ersichtliche verbrauchsteuerliche Problematik übersieht.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2, §§ 370, 378

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen einen Energiesteuerbescheid.

Der Kläger zu 1. war Inhaber des bis zum 25.04.2007 unter der Firma A e.K. betriebenen Einzelunternehmens. Er ist alleiniger persönlich haftender Gesellschafter der Klägerin zur 2., in die er sein Einzelunternehmen mit Wirkung ab dem 26.04.2007 eingebracht hat.

Im Zeitraum vom 01.08.2006 bis zum 25.04.2007 verbrachte die Firma A insgesamt 1.311.632 l Biodiesel und Pflanzenöl aus dem freien Verkehr Dänemarks in die Bundesrepublik Deutschland. Die Ware wurde nicht zur Versteuerung im Bundesgebiet angemeldet.

Mit an die Kläger gerichteten Steuerbescheiden vom 16.01.2008 erhob der Beklagte Mineralölsteuer in Höhe von insgesamt 616.991,70 €.

Dagegen legten die Kläger am 07.02.2008 Einspruch ein und begründeten diesen im Wesentlichen damit, dass für den Zeitraum 1.8. bis 31.12.2006 die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Zugleich beantragten sie den Erlass der Mineralölsteuer.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 07.04.2008 zurückgewiesen. Da die Klägerin das Mineralöl aus dem freien Verkehr Dänemarks zu gewerblichen Zwecken bezogen habe, sei die Mineralöl- bzw. Energiesteuer entstanden. Steuerschuldner sei der Bezieher der Erzeugnisse. Vor der Übernahme der Erzeugnisse hätte sie eine Anzeige mit einer Selbstberechnung des Steuerbetrages abgeben müssen. Die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO sei nicht abgelaufen, da ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet worden sei. Dann komme die zehnjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO zum Tragen. Sie sei an die Feststellungen der Strafsachenstelle gebunden, müsse also die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer möglichen Steuerstraftat nicht prüfen. Für den Erstattungs- bzw. Erlassanspruch aus § 50 EnergieStG gelte die verlängerte Frist nicht.

Mit ihrer am 30.04.2008 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die angefochtenen Bescheide seien insoweit rechtswidrig, als die für den Zeitraum 1.8. bis 31.12.2006 geltend gemachten Energiesteueransprüche bei Erlass des angefochtenen Bescheides bereits verjährt gewesen seien. Eine Bindung an Feststellungen der Strafsachenstelle bestehe nicht. Abgesehen davon gebe es zur subjektiven Tatseite keine Feststellungen, der Kläger zu 1. sei nicht einmal vernommen worden. Der Vorwurf vorsätzlicher Steuerhinterziehung erscheine schon deshalb als abwegig, weil wegen der aus Dänemark in das deutsche Steuergebiet verbrachten Biokraftstoffe ein Entlastungsanspruch aus § 50 EnergieStG bestehe, der durch einfachen Antrag geltend gemacht werden könne. Es liege aber auch keine leichtfertige Steuerverkürzung vor, der Vorwurf grober Fahrlässigkeit könne ihm nicht gemacht werden. Etwaiges Verschulden seines Steuerberaters könne ihm nicht zugerechnet werden. Den Tatbestand des § 378 Abs. 1 AO hätte der Steuerberater nur erfüllt, wenn er selbst in Sachen seines Mandanten gegenüber der Finanzbehörde unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hätte. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Steuerberater habe auch nicht pflichtwidrig gehandelt. Er sei in die mit dem Verbringen des Kraftstoffs entstehende Erklärungspflicht des Klägers in keiner Weise eingebunden gewesen und habe von dem Verbringen jeweils erst im Nachhinein Kenntnis erlangt.

Die Kläger beantragen,

  • den Steuerbescheid vom 16.01.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2008 und des Änderungsbescheides vom 16.11.2010 - soweit darin Energiesteueransprüche für den Zeitraum 1.8. bis 31.12. 2006 erhoben werden - aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Die Entstehung des Steuerschadens sei unstreitig. Nach dem Ermittlungsergebnis seien die Energieerzeugnisse als Treibstoff für die firmeneigenen Fahrzeuge der Klägerin genutzt worden. Angesichts des anhängigen Strafverfahrens greife die zehnjährige Festsetzungsfrist. Jedenfalls greife die fünfjährige Festsetzungsfrist bei leichtfertiger Steuerverkürzung. Die Klägerin habe zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem sie es über einen längeren Zeitraum unterlassen habe, aus dem EU-Ausland in das Steuergebiet verbrachten Biodiesel und Pflanzenöl einer Versteuerung zuzuführen. Damit habe sie die objektiven und subjektiven Tatbestandsmer...

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