Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsschutzkontrollgesetz - Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischwirtschaft: (Teilweise) Erfolgreicher Eilantrag gegen das Fremdpersonalverbot in der Fleischwirtschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob ein Betrieb als Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne des § 6 Abs. 9 AEntG anzusehen ist und damit dem Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch unterfällt, ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.

2. Eine einstweilige Anordnung kann ausnahmsweise auch in Gestalt einer vorläufigen Feststellung des in der Hauptsache sachlich Begehrten getroffen werden.

3. Der Begriff der Verarbeitung von Fleisch in § 6 Abs. 9 Satz 3 AEntG ist nicht auf die Arbeitsschritte am rohen Fleischprodukt beschränkt, sondern umfasst alle Tätigkeiten bis zur Herstellung des fertigen, für den Verbraucher bestimmten Nahrungsmittels.

4. Der Fleischverarbeitung sind erst die Arbeitsschritte nicht mehr zuzuordnen, die der Herstellung des verpackten Nahrungsmittels nachfolgen, wie etwa die Konfektionierung und weitere Verpackung des hergestellten Nahrungsmittels zum Versand oder Verkauf.

5. Dem Begriff der Fleischverarbeitung unterfallen nur Tätigkeiten am Fleischprodukt oder Nahrungsmittel selbst.

6. Tätigkeiten, die zwar im sachlichen Zusammenhang zur Fleischverarbeitung stehen, aber nicht am Produkt selbst vorgenommen werden - wie kaufmännische Tätigkeiten, Hilfstätigkeiten, Lagerung oder Versand - sind vom Begriff der Fleischverarbeitung nicht umfasst

7. Die Zollbehörden dürfen nach § 6b GSA Fleisch prüfen, ob ein Betrieb dem Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch unterfällt.

 

Normenkette

AEntG § 6 Abs. 9; SchwarzArbG § 23; FGO §§ 41, 114 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.02.2022; Aktenzeichen VII B 85/21)

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Feststellung, dass sie nicht als Betrieb der Fleischwirtschaft einem Beschäftigungsverbot nach dem Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) unterfällt.

Die Antragstellerin unterhält einen Betrieb zur Herstellung von Wurstprodukten aller Art, insbesondere von Brüh- und Räucherwürsten sowie von Schinken und Bacon. Gegenstand des Unternehmens gemäß Handelsregister ist die Herstellung von und der Handel mit Fleisch- und Wurstwaren und artverwandten Artikeln einschließlich des Betriebes von Schnellrestaurants, Imbissgastronomie und ähnlicher Einrichtungen sowie die Herstellung aller sonstigen Nahrungsmittel und deren Vertrieb. Ihre einzige Betriebsstätte befindet sich auf einer Grundstücksfläche von ca. ... m² und umfasst in einem Gebäudekomplex einen Verwaltungsbereich, einen Wareneingang, einen Kutterraum, ein Fleischkühlhaus, ein Kesselhaus, einen Pökelraum, einen Produktionsraum, ein Produktionslager, mehrere Verpackungsabteilungen und Kühlräume, eine Werkstatt und einen Reinigungsbereich. Ein eigenes Restaurant und ein Werksverkauf liegen etwa 20 m vom Hauptgebäude entfernt.

Die Antragstellerin beschäftigte im Jahr 2020 insgesamt etwa ... Mitarbeiter, darin enthalten zum einen die Leitungsebene mit drei Mitarbeitern (Betriebsleiter, Produktionsleiter und Produktentwickler) und zum anderen ... Werkvertragsarbeiter. Letztere beschäftigte sie angesichts des mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz vom 22. Dezember 2020 ausgesprochenen Beschäftigungsverbots gemäß § 6a Abs. 2 GSA Fleisch n.F. ab dem 1. Januar 2021 als von Personaldienstleistern überlassene Zeitarbeiter und ab dem 1. April 2021 als eigene Arbeitnehmer weiter.

Der Produktionsprozess beginnt im Wareneingangsbereich, in dem Schlacht- und Zerlegebetriebe rohes und vorzerlegtes Fleisch anliefern. Die Mitarbeiter der Antragstellerin führen vorbereitende Produktionsschritte durch wie Feinzuschnitt, Zerkleinern und Entfernen beispielsweise von Fettansätzen des angelieferten Rohfleisches. Die so vorbereiteten Produkte werden ins Fleischkühlhaus oder direkt zum Kutterraum verbracht. In der Gewürzchargierung stellt ein Mitarbeiter die jeweils individuelle Gewürzmischung für ein Produkt zusammen. In der Kutterei werden die vorbearbeiteten Fleischstücke in den Kutter gegeben und dort unter Zugabe von Eis und der Gewürzmischung zerkleinert und maschinell zu Brät verarbeitet. In der Pökelei werden Fleischstücke zur Herstellung von Schinken gepökelt. In der Füllerei wird das nach dem Kuttern entstandene und in Rollwägen bereitgestellte Brät mittels eines Trichters mechanisch in Därme befüllt, die gezogen, geschnitten und von Mitarbeitern überprüft werden. Auf (Räucher-)Wägen gehängt werden die Würste entweder zur Räucherei oder ins Kesselhaus gebracht und dort jeweils mit hoher Temperatur geräuchert oder gekocht. Anschließend werden die Würste je nach Sorte gegebenenfalls getrocknet. Durch die Hitze beim Räuchern bzw. Kochen tritt ein chemischer Veränderungsprozess in Gang: Die im Fleisch enthaltenen Eiweiße gerinnen, Bindegewebe geliert und Fette verflüssigen sich. Zugleich wird die Ware sterilisiert und konserviert, woraus sich die längere H...

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