rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch des Jugendhilfeträgers bezogen auf Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein auf das Kindergeld bezogener Erstattungsanspruch des Bereitschaftspflege leistenden Jugendhilfeträgers erfordert mangels Nachrangigkeit und Gleichartigkeit der konkurrierenden Leistungen eine Konkretisierung und betragsmäßige Festsetzung durch Leistungs- oder Heranziehungsbescheid gegenüber dem Kindergeldberechtigten oder dem Kind.
  2. Eine wirksame Abzweigungsverfügung in Bezug auf das Kindergeld kann nur in Gestalt eines eigenständigen Verwaltungsakts mit Doppelwirkung gegenüber dem Kindergeldberechtigten und dem begünstigten Verwaltungsträger getroffen werden.
  3. Zu den Darlegungsvoraussetzungen bei Erlass einer Abzweigungsverfügung.
 

Normenkette

EStG § 74 Abs. 1-2; SGB X § 104 Abs. 1 Sätze 1-2, 4, § 107; SGB VIII § 10 Abs. 1, § 93 Abs. 1, § 94 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die beklagte Familienkasse gewährte dem Kläger Kindergeld für seine Kinder „B” (geboren im Januar 1999) und „A” (geboren im Juni 2002). Mit Schreiben vom 25. April 2003 beanspruchte die beigeladene Stadt „C” gegenüber der Familienkasse die Auszahlung des Kindergeldes für das Kind „A”. Sie trug vor, „A” sei seit 21.02.2003 vorübergehend in einem Heim untergebracht und werde überwiegend von ihr (der Beigeladenen) unterhalten. Die Beigeladene habe von dem Kläger am 25.04.2003 den Einsatz des Kindergeldes verlangt. Gemäß § 74 Abs. 5 EStG i.V.m. § 104 SGB X werde hiermit der Erstattungsanspruch geltend gemacht.

Die Familienkasse erließ daraufhin gegenüber dem Kläger einen Bescheid (vom 7. Mai 2003) und stellte hierin fest, dass der Beigeladenen ab Mai 2003 ein Erstattungsanspruch betreffend das Kindergeld für „A” gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X zustehe, so dass der Kläger ab Mai 2003 nur noch das Kindergeld für „B” ausgezahlt erhalte; der Kindergeldanspruch des Klägers für „A” werde durch die Leistungen der Beigeladenen erfüllt (§ 107 SGB X).

Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, dass er für die (unerwünschte) Unterbringung seines Sohnes von der Beigeladenen nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen worden sei; mangels Heranziehungsbescheides (§ 93 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) fehle es an einem konkretisierten Erstattungsanspruch der Beigeladenen. Das Kindergeld sei deshalb weiterhin an ihn (den Kläger) auszuzahlen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Familienkasse vertrat die Ansicht, Kindergeld habe an die Beigeladene gemäß § 74 Abs. 1 EStG abgezweigt werden können, weil der Kläger mangels eigener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gegenüber „A” weder unterhaltsverpflichtet sei noch eigene Unterhaltsleistungen erbringe.

Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger trägt vor, „A” sei auf Veranlassung der Beigeladenen gegen den Willen der Eltern in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht worden. Das Kind sei seit Dezember 2002 in der Pflegeversicherung in Stufe I eingestuft und beziehe hieraus Leistungen. Die Voraussetzungen des von der Beigeladenen geltend gemachten Überleitungsanspruchs lägen nicht vor, weil es an einem Heranziehungsbescheid fehle. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 22. Januar 1998 B 14/10 KG 24/96 R) und der Finanzgerichte (z.B. FG Köln, Urteil vom 5. Juni 2002 10 K 7322/98) erfordere ein Vorgehen des Jugendhilfeträgers nach § 104 Abs. 1 SGB X die Heranziehung des Unterhaltspflichtigen zu einem Kostenbeitrag mittels Verwaltungsaktes. Dies gebiete die Rechtssicherheit sowie der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Der betroffene Unterhaltspflichtige müsse in einem förmlichen Verfahren Gelegenheit haben, sich gegen seine Heranziehung zu dem Kostenbeitrag wehren zu können. Im Streitfall sei dies nicht geschehen.

Der Kläger beantragt,

den Abrechnungsbescheid vom 7. Mai 2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. August 2003 mit der Maßgabe aufzuheben, dass das Kindergeld für „A” weiterhin an ihn ausgezahlt wird.

Die Familienkasse beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass ihr nicht bekannt sei, ob die Beigeladene einen - für die Überleitung des Kindergelds erforderlichen - Heranziehungsbescheid gegenüber dem Kläger erlassen habe. Außerdem sei nicht bekannt, inwieweit der Kläger seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind verletze bzw. mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltsverpflichtet sei bzw. ob und ggf. welche Unterhaltsleistungen er gegenüber dem Kind erbringe. Der Kläger sei bislang wohl nicht zu einem Kostenbeitrag herangezogen worden.

Das Gericht hat die Stadt „C” zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und ist - ordnungsmäßig geladen - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie trägt schriftsätzlich vor, sie leiste dem Kind „A”, das derzeit in einer Sonderpflegestelle untergebracht sei, Hilfe zur Erziehung gemäß § 34 SGB VIII und stelle in diesem Zusammenhang gemäß § 39 SGB VIII den Lebensunterhalt des Kindes sicher. Da das Kind vor der Unterbringung mit seinen El...

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