rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskostenabzug bei nichtselbständiger Arbeit wegen irrtümlicher Qualifikation als selbständige Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Beurteilt der Steuerpflichtige irrtümlich seine Tätigkeit in einer Zerleger-/Ausbeinerkolonne als selbständig, so kann er die von ihm deshalb getätigten Aufwendungen für Abschluss-, Buchführungs- und Beratungskosten, IHK-Beiträge, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer aufgrund deren mittelbarer Veranlassung durch die tatsächlich ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit als Werbungskosten abziehen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 12

 

Streitjahr(e)

1994, 1995

 

Tatbestand

In den beiden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1994 (16 K 1371/98 E) und 1995 (16 K 1370/98 E) streiten die Beteiligten nur noch darüber, ob solche Aufwendungen des Klägers, die damit im Zusammenhang stehen, dass die Tätigkeit als Zerleger/Ausbeiner zunächst - zu Unrecht - als selbständig und demgemäß gewerblich (unternehmerisch) qualifiziert worden ist, als Werbungskosten (§ 9 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr.1 EStG) abziehbar sind.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA-) erließ wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen auf geschätzte Besteuerungsgrundlagen gestützte Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995, in denen die Einkommensteuer jeweils unter Ansatz von Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H. von 65.000 DM auf 11.899 DM (1994) und 11.619 DM (1995) festgesetzt wurde, und wies die dagegen fristgerecht eingelegten Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 29.1.1998 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger fristgerecht Klagen erhoben. Er hat sodann Einkommensteuererklärungen jeweils mit Anlagen GSE eingereicht, in denen er für den Zeitraum vom 1.1.1994 bis 31.1.1995 Einkünfte aus der Ausbeinertätigkeit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen GSE nebst den Gewinnermittlungen (Ermittlung des Übergangsverlustes wegen Wechsels von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Bilanzierung zum 1.1.1994, Bilanzen zum 1.1.1994, 31.12.1994 und 31.1.1995) Bezug genommen.

Das FA ging nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei dem Kläger (vgl. Bericht vom 20.2.1996) davon aus, dass der Kläger nicht als selbständiger Subunternehmer, sondern als Arbeitnehmer des „Auftraggebers” (Zerlegerfirma) anzusehen sei. Über die auf dieser Ansicht beruhenden Umsatzsteuerbescheide stritten die Beteiligten in den Klageverfahren wegen Umsatzsteuer 1994 (5 K 801/97 U) und 1995 (5 K 802/97 U). Aufgrund von Hinweisen des für jene Verfahren zuständigen Berichterstatters nahm der Kläger diese Klagen zurück.

Statt der bisher in den Anlagen GSE erklärten Einkünfte hinsichtlich der vom 1.1.1994 bis 31.1.1995 ausgeübten Ausbeinertätigkeit erklärte der Kläger in den vorliegenden Klageverfahren nunmehr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, und zwar

-unstreitige Einnahmen jeweils einschl. der vereinnahmten Umsatzsteuer i.H. von 83.949,81 DM (1994) und 8.192,21 DM (1995),

-unstreitige Werbungskosten (Werkzeuge, Kleingeräte, Berufsbekleidung, Fahrtkosten) i.H. von insges. 8.537,48 DM (1994) und 1.304,43 DM (1995) sowie

-unstreitig jeweils abgeflossene Aufwendungen i.H. von insges. 20.916,47 DM (1994) und 5.724,49 DM (1995), die für Abschluss- und Prüfungskosten, Buchführungskosten, Rechts- und Beratungskosten, IHK-Beiträge, Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuer

angefallen sind und nurinsoweit streitig sind, als sie nach Ansicht des FA den Werbungskostenbegriff nicht erfüllen.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 vom 22.4.1997, jeweils i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 29.1.1998, dahin abzuändern, dass (1.) statt der in den Anlagen GSE erklärten Einkünfte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter Berücksichtigung sämtlicher Kosten angesetzt werden und (2.) im übrigen erklärungsgemäß veranlagt wird.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unter Abzug der streitigen Aufwendungen i.H. von insges. 20.916,47 DM (1994) und 5.724,49 DM (1995) erklärt worden sind.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

1. Die in Bezug auf die Einkünfte aus der im Zeitraum vom 1.1.1994 bis 31.1.1995 ausgeübten Ausbeinertätigkeit streitigen Aufwendungen (Abschluss- und Prüfungskosten, Buchführungskosten, Rechts- und Beratungskosten, IHK-Beiträge, Umsatzsteuer sowie Gewerbesteuer) weisen die Besonderheit auf, dass sie bei einer von vornherein zutreffenden steuerrechtlichen Qualifizierung der Tätigkeit als nichtselbständige Arbeit nicht angefallen wären. Sie sind für diese Einkunftsart unüblich, aber ungeachtet dieser Besonderheit durch die Tätigkeit „veranlasst” und demzufolge als Werbungskosten abziehbar.

a) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Sie sind bei der Einkunftsart ...

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