Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung städtebaulicher Verkehrsplanungen und umweltpolitischer Gründe bei Anerkennung einer Umwegstrecke bei Fahrten zur Arbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Nutzt ein Steuerpflichtiger mit einer 44 km langen Umwegstrecke anstelle der kürzesten Route (25 km) genau die Straßenverbindung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die nach den städtebaulichen Planungen zum Zwecke der Ableitung der Straßenverkehrsströme aus der Innenstadt errichtet worden ist, so ist diese Umwegstrecke auch bei einer täglichen Zeitersparnis von nur 31 Minuten als offensichtlich verkehrsgünstiger i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG einzuordnen.
  2. An die steuerliche Beurteilung der Benutzung einer Umwegstrecke zur Arbeitsstätte können nicht dieselben Maßstäbe wie an den Werbungskostenabzug für einen den Weg zur Arbeitsstätte verkürzenden Umzug (erforderliche Zeitersparnis lt. Rspr. 1 Stunde) angelegt werden.
 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Streitjahr(e)

2005

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach der kürzesten Straßenverbindung bemessen werden muss oder hier ein Umweg als offensichtlich verkehrsgünstigere Strecke steuerlich zugrunde gelegt werden kann.

Die Klägerin, wohnhaft in Dormagen, ist im Innendienst einer Fluggesellschaft beschäftigt; ihre Arbeitsstätte befindet sich am Flughafen Düsseldorf. Als Leiterin einer Abteilung und zudem Mitglied eines weiteren Teams hat sie häufig auch samstags oder sonntags Dienst.

In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2005 machte die Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit die Entfernungspauschale für 280 Tage à 47 km geltend und gab an, allenfalls am Wochenende gelegentlich die kürzere Strecke durch die Düsseldorfer Innenstadt zu nutzen; montags bis freitags fahre sie aus Gründen der Zeitersparnis über die Autobahnen A 44 und A 57, weil an diesen Tagen in der City regelmäßig Verkehrsstau herrsche.

Der Beklagte legte dem Werbungskostenabzug zunächst 230 Arbeitsstage à 25 km zugrunde (Bescheid vom 08. Mai 2006). Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, über die Autobahn spare sie ca. 20 Minuten. Die Routenplaner bemäßen die kürzeste Verbindung unterschiedlich (via michelin 25 km Innenstadt; rp online 29,2 km über Mörsenbroicher Ei); die dort angegebene Fahrzeit von 43 Minuten sei nicht realistisch, berücksichtige nämlich weder Staus noch Berufsverkehr. Sie habe die vorgeschlagenen Strecken exemplarisch getestet und durch die Innenstadt bzw. das Mörsenbroicher Ei jeweils 1 Stunde benötigt, während sie die Strecke über die Autobahn in 35 Minuten zurück legen könne. Der Beklagte half dem Einspruch nach weiteren Erläuterungen der Klägerin zur Wochenendarbeit mit Änderungsbescheid vom 31. Juli 2006 insoweit ab, als er die Zahl der berücksichtigungsfähigen Arbeitstage auf 255 erhöhte. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch mit Entscheidung vom 4. August 2006 als unbegründet zurück.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor: Die Entfernungspauschale sei an 240 Tagen für 44 km und an 15 Tagen für 25 km zu gewähren. Diese Entfernungen habe sie tatsächlich zurückgelegt. Während sie nur für einen Teil der Wochenendfahrten die kürzeste Straßenverbindung durch die Düsseldorfer Innenstadt genutzt habe, sei an den übrigen Tagen die Umwegstrecke über die Autobahn „offensichtlich verkehrsgünstiger” i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 des EinkommensteuergesetzesEStG- gewesen. Je Fahrt habe sich eine Zeitersparnis von ca. 30 Minuten ergeben. Zudem sei die innerstädtische Fahrt wegen des häufigen „stop and go”-Verkehrs und des hinderlichen Parkens in zweiter Reihe deutlich anstrengender und nervenaufreibender als die Autobahnfahrt - trotz der dortigen Baustellen und der Engpässe bei den Auffahrten. Sie könne ihre Fahrzeiten auch nicht auf das Verkehrsaufkommen abstellen, weil sie regelmäßig von 9 Uhr bis 17 Uhr am Arbeitsplatz sein müsse.

Im Anschluss an einen Erörterungstermin vom 13. Oktober 2006 hat das Gericht den Prüfungsbeamten des Gerichts beauftragt, die Zeitdauer für die Benutzung der Umweg- wie auch der kürzesten Strecke durch Abfahren zu überprüfen. Nach Absprache mit den Beteiligten über Abfahrtszeiten und Daten der Fahrten hat der Gerichtsprüfer am 6. und 7. Februar 2007 zwei (Hin)Fahrten von der Wohnung der Klägerin zur Arbeitsstätte durchgeführt. Die Fahrdauer betrug 38,32 Minuten für die Autobahnstrecke (43 km) und 63,20 Minuten für die kürzeste Verbindung (24 km); die Durchschnittsgeschwindigkeit belief sich auf 68,90 km/h bzw. 27,3 km/h (Zeitersparnis insoweit: 25 Minuten). Hinsichtlich der Rückfahrt ergaben sich am 14. Februar 2007 für die Autobahnstrecke eine Fahrdauer von 47,40 Minuten (57,9 km/h) und am 7. Februar 2007 für die kürzeste Verbindung von 46,50 Minuten (33,7 km/h) (Zeitersparnis 0 Minuten). Auf den Einwand...

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