rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des rückwirkenden Inkrafttretens des § 34 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die unechte Rückwirkung (tatbestandlichen Rückwirkung) einer Gesetzesänderung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn hiermit ein Missstand aus Gründen der verfassungsrechtlichen Belastungsgleichheit beseitigt werden soll.

2. Wird eine Abfindungsvereinbarung im Dezember 1998 und damit erst nach der Zuleitung des Gesetzesentwurfes zum StEntlG 1999/2000/2002 an den Bundesrat am 20.11.1998 getroffen, so ist wegen des damit verbundenen Ankündigungseffekts das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der bislang geltenden Tarifermäßigung durch Halbierung des Steuersatzes anstelle der Auszahlung am 30.03.1999 geltenden Fünftelregelung nicht verfassungsrechtlich geschützt.

3. Dies gilt insbesondere, wenn der Steuerpflichtige bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung zur Erzielung von Progressionsvorteilen den Zufluss der Einnahmen gezielt in ein späteres Jahr verlagert hat.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 7 Nr. 2, §§ 34, 52 Abs. 47; EStG § 34 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1998, 1999, 2000, 2001

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.01.2011; Aktenzeichen IX R 54/05)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die ermäßigte Besteuerung einer Abfindung.

Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war seit dem 01.02.1989 bei einer Tochtergesellschaft der „L-AG” als Geschäftsführer beschäftigt. Mit Abwicklungsvertrag vom 16.12.1998 wurde ihm im Rahmen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 750.000,00 DM zugesagt. Diese wurde auf Wunsch des Klägers am 30.03.1999 mit dem Gehalt für den Monat März ausgezahlt, da er im Jahre 1998 bereits über ein hohes zu versteuerndes Einkommen verfügte und seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Jahr 1999 deutlich niedriger waren. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten befindliche Abfindungsvereinbarung verwiesen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 beantragten die Kläger, einen Betrag von 726.000,00 DM (= 750.000,00 DM ./. 24.000,00 DM) nach § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG - in der bis einschließlich 31.12.1998 geltenden Fassung (§ 34 Abs. 1 EStG a. F.) mit dem halben Steuersatz zu besteuern. Von ihrem Antragsrecht auf Anwendung der ab 01.01.1999 geltenden Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG n. F.) machten die Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises des Beklagten ausdrücklich keinen Gebrauch. Mit Einkommensteuerbescheid vom 16.11.2000 setzte daraufhin der Beklagte - das Finanzamt „F-Stadt” - die Einkommensteuer für das Streitjahr ohne Anwendung der Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG n. F. fest.

Am 08.12.2000 legten die Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom 16.11.2000 ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, dass die im Gesetz angeordnete rückwirkende Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG n. F. auf den 01.01.1999 verfassungswidrig sei. Sie hätten nicht damit gerechnet, dass im März/April 1999 eine Gesetzesänderung mit rückwirkender Kraft verabschiedet werde. Es liege ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG - vor.

Mit Einspruchsentscheidung vom 06.03.2001 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. In seiner Einspruchsentscheidung führte er aus, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, da vorliegend lediglich eine unechte Rückwirkung gegeben sei. Denn die Einkommensteuer als Jahressteuer entstehe erst mit Ablauf des Kalenderjahres. Außerdem seien die Kläger bereits im Rahmen der Abfindungsvereinbarung auf mögliche Gesetzesänderungen hingewiesen worden und das Gesetz sei vor Auszahlung der Abfindung verkündet gewesen. Die Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz - StEntlG - seien darüber hinaus schon im Laufe des Jahres 1998 diskutiert worden. Eine rechtsstaatswidrige Rückwirkung liege daher im Ergebnis nicht vor.

Mit ihrer dagegen gerichteten Klage sind die Kläger der Auffassung, ihr Vertrauen auf das im Zeitpunkt der Vereinbarung der Abfindung geltende Recht sei schutzwürdig. Bis zum 24.03.1999 sei aufgrund zahlreicher Änderungen im Gesetzgebungsverfahren nicht klar gewesen, wie die Neuregelung letztlich aussehen werde. Nicht die Gesetzesinitiative und die dazu erfolgte Berichterstattung, sondern erst der Gesetzesbeschluss des Bundestags könnten daher einen ihrerseits bestehenden Vertrauensschutz zerstören. Hätten sie gewusst, dass die steuerliche Vergünstigung des § 34 EStG im Jahr 1999 rückwirkend zum Jahresanfang abgeschafft werde, hätten sie sich die Abfindung noch im Jahr 1998 auszahlen lassen. Aufgrund der rückwirkenden Änderung hätten sie ihr Handeln aber nicht mehr auf die Rechtsänderung einstellen können. Der Gesetzgeber müsse jedoch für den Fall, dass eine Neuregelung sich erkennbar nachteilig auf die Rechtsposition eines oder mehrerer Steuerpflichtigen auswirke, eine Übergangsregelung schaffen. Dies habe...

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