Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung bei wegen Fälschung der LSt-Karte fehlerhafter Anrechnungsverfügung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine aufgrund Fälschung der Lohnsteuerkarte fehlerhafte Anrechnungsverfügung bewirkt keine Unterbrechung der Verjährung des sich bei zutreffender Abrechnung ergebenden Zahlungsanspruchs der Finanzbehörde (Abgrenzung zum Urteil des BFH vom 30.04.1996 VII R 122/94, BFH/NV 1996, 866).
  2. Eine analoge Anwendung des bei Änderung der Steuerfestsetzung geltenden Aufteilungsmaßstabes (§ 273 Abs. 1 AO) auf wegen einer bislang fehlerhaften Abrechnung rückständige Steuern scheidet bereits wegen der in diesem Fall nicht erfüllten Voraussetzung der Tilgung der bisher festgesetzten Steuer (§ 273 Abs. 2 AO) aus.
 

Normenkette

AO § 228 S. 2, § 229 Nr. 10, § 231 Abs. 1, §§ 232, 273 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.07.2000; Aktenzeichen VII R 32/99)

BFH (Urteil vom 18.07.2000; Aktenzeichen VII R 33/99)

 

Tatbestand

Die Klägerin und der Beigeladene wurden in den Streitjahren als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die als selbständige Apothekerin tätige Klägerin erklärten sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den als selbständiger Wirtschaftsprüfer tätigen Kläger erklärten sie - unter Vorlage von vom Kläger selbst in Täuschungsabsicht ausgefüllten Lohnsteuerkarten - Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Auf der Grundlage der Lohnsteuerkarten rechnete der Beklagte (Finanzamt - FA -) die auf den Lohnsteuerkarten bescheinigten, aber nicht abgeführten Lohn- und Kirchensteuerbeträge durch Anrechnungsverfügungen in den bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheiden mit folgenden Beträgen an:

Veranlagungszeitraum

Lohnsteuer

Kirchensteuer

1985

47.099,-- DM

4.239,86 DM

1986

48.525,-- DM

4.368,17 DM

1987

54.424,-- DM

4.998,-- DM

1988

54.012,-- DM

4.860,-- DM

1989

54.285,-- DM

4.885,56 DM

1990

48.421,-- DM

4.355,90 DM

1991

48.078, --DM

4.327,02 DM

Nachdem der Beigeladene im Wege der Selbstanzeige mitgeteilt hatte, keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt und die Lohnsteuerkarten selbst ausgefüllt zu haben, forderte das FA die Kläger durch Bescheid vom 10.3.1994 unter Änderung der Anrechnungsverfügung und des Leistungsgebots im Einkommensteuerbescheid 1985 vom 18.5.1987 auf, 51.340,54 DM (Einkommensteuer 47.099,-- DM und Kirchensteuer 4.240,77 DM) zu zahlen.

Auf die dagegen erhobene Beschwerde stellte das FA durch gesonderten Abrechnungsbescheid vom 25.7.1994 die verbleibende Steuerschuld für den Veranlagungszeitraum 1985 gegenüber dem Beigeladenen mit null DM und gegenüber der Klägerin mit 18.392,97 DM fest.

Das gleichzeitig geltend gemachte Begehren der Klägerin auf Aufteilung der Einkommensteuerschuld für die Streitjahre beschied das FA für die Streitjahre 1985, 1990 und 1991 jeweils durch Aufteilungsbescheide vom 28.4.1994 sowie für die Streitjahre 1986 bis 1989 durch Aufteilungsbescheide vom 30.6.1994 unter Berücksichtigung folgender Anteile der Klägerin und des Beigeladenen:

VZ

Nachzahlungsbetrag

Anteil der Klägerin lt. FA

vH-Satz des Kl.-Anteils

vH-Satz des Beigel.-Anteils:

1985

51.340,54 DM

25.839,50 DM

50,45 vH

49,55 vH

1986

52.893,66 DM

23.321,10 DM

44,23 vH

55,77 vH

1987

59.322,84 DM

31.506,20 DM

53,16 vH

46,84 vH

1988

58.872,88 DM

30.229,68 DM

51,40 vH

48,60 vH

1989

69.197,56 DM

30.794,96 DM

44,60 vH

55,40 vH

1990

57.858,90 DM

24.538,16 DM

46,63 vH

53,37 vH

1991

54.565,02 DM

32.387,73 DM

59,48 vH

40,52 vH

Den gegen den Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1985 erhobenen Einspruch der Klägerin wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 7.7.1995 als unbegründet zurück. Ebenso wies es deren Einsprüche gegen die Aufteilungsbescheide mit Einspruchsentscheidung vom 7.7.1995 als unbegründet zurück.

Mit ihrer daraufhin am 8.8.1995 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:

Für die Streitjahre 1985 und 1986 bestünden keine Zahlungsansprüche des FA, weil insoweit Zahlungsverjährung eingetreten sei. Im Übrigen sei die Aufhebung des Leistungsgebots für das Jahr 1985 nach Maßgabe des § 130 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung - AO - nicht möglich, da nicht sie, die Klägerin, sondern ihr Ehemann - ohne ihre Kenntnis - die unlauteren Mittel angewandt habe.

Die Aufteilungsbescheide 1986 - 1991 seien wegen Ermessensfehlgebrauchs aufzuheben; das FA sei zu verpflichten, das Aufteilungsbegehren erneut zu bescheiden. Entgegen der Auffassung des FA seien die Steuerschulden im Verhältnis Klägerin/Beigeladener lediglich wie folgt aufzuteilen:

11,5 / 88,5

im VZ 1985;

15,03 / 84,97

im VZ 1986;

15,41 / 84,59

im VZ 1987;

10,36 / 89,64

im VZ 1988;

14,68 / 85,97

im VZ 1989;

9,48 / 90,52

im VZ 1990 sowie

13,55 / 86,45

im VZ 1991.

Eine dementsprechende Aufteilung habe das FA zu Unrecht unter Hinweis auf eine fehlende Sicherstellung der Tilgung gemäß § 274 AO abgelehnt. Es habe übersehen, dass sich die begehrte Aufteilung aus einer analogen Anwendung des Aufteilungsmaßstabs in § 273 AO zwingend ergebe.

Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheide zwar aus, weil im Streitfall eine bei Steuerhinterzi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge