Entscheidungsstichwort (Thema)

Duldungsbescheid: Geldeingang auf Fremdkonto als unentgeltliche Leistung des Anfechtungsschuldners – Herausgabeverpflichtung des Kontoinhabers

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird dem Anfechtungsschuldner ein Konto des Anfechtungsgegners durch die Überlassung von EC-Karte und PIN im Innenverhältnis zur Verfügung gestellt, steht die für Gutschriften auf diesem Konto bestehende Herausgabeverpflichtung des Kontoinhabers seiner Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid aufgrund einer unentgeltlichen Leistung des Anfechtungsschuldners i.S.d. § 4 AnfG entgegen.
  2. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Leistung des Anfechtungsschuldners trägt die anfechtende Finanzbehörde.
  3. Die Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach § 3 Abs. 1 AnfG setzt den Nachweis voraus, dass der Anfechtungsgegner positive Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Anfechtungsschuldners hatte.
  4. Der Wertersatzanspruch in Fällen der Nutzung von Fremdgeldkonten ist auf die Beträge begrenzt, die dem Kontoinhaber zu Gute gekommen sind (vgl. BGH-Urteil vom 9.12.1993 IX ZR 100/93, NJW 1994, 726, zu Treuhandkonten).
 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1; AnfG §§ 1-2, 3 Abs. 1, §§ 4, 11 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.04.2017; Aktenzeichen VII R 31/15)

BFH (Urteil vom 25.04.2017; Aktenzeichen VII R 31/15)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides.

Der Vater des Klägers schuldet dem Beklagten fällige Einkommen- und Umsatzsteuern einschließlich Nebenleistungen von insgesamt mehr als 30.000 Euro. Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Steuerschuldner blieben erfolglos. Im Rahmen einer Liquiditätsprüfung zur Ermittlung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Steuerschuldners stellte der Beklagte mit Prüfungsbericht vom 5. August 2011 fest, dass der Vater des Klägers kein eigenes Girokonto unterhielt und auf dem Girokonto des Klägers Nr. 1 bei der A-Bank im Prüfungsjahr 6.743,63 Euro als Entgelt für vom Vater als Subunternehmer im Auftrag eines Dritten ausgeführte Kurierfahrten gutgeschrieben worden waren. Dem Vater des Klägers waren Kontoverfügungen mittels überlassener EC-Karte und Bekanntgabe des PIN-Codes möglich. Der Kläger selbst hat über den Überweisungsbetrag wie auch über das Girokonto nicht verfügt. Er ist Inhaber eines weiteren Girokontos mit der Nr. 2 bei der A-Bank, das er für sich nutzt.

Der Beklagte erließ am 29. Juni 2012 einen Duldungsbescheid, mit dem die Kontoüberlassung, die zu Gutschriften über 6.743,63 Euro geführt hatte, gemäß § 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) angefochten, der Kläger zum Wertersatz verpflichtet und zur Zahlung aufgefordert wurde. Der Einspruch des Klägers vom 4. Juli 2012 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 29. August 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage trägt der Kläger vor:

Er habe von den Bewegungen auf dem Girokonto Nr. 1 keine Kenntnis gehabt. Er habe mit seinem Vater keine Vereinbarungen zu Lasten des Beklagten oder sonstiger Dritter getroffen und zu keinem Zeitpunkt über irgendeine Zahlung auf dem Konto eine Verfügung getroffen. Er habe das Konto eröffnet, um seinem Vater die Möglichkeit der bargeldlosen Zahlung des Vereinsbeitrags zu ermöglichen. Er sei von seinem Vater über auf dem Konto eingehende Zahlungen nicht informiert worden.

Der Kläger beantragt,

den Duldungsbescheid vom 29. Juni 2012 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 29. August 2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Er sei der Meinung, dass eine unentgeltliche Leistung des Steuerschuldners im Sinne des § 4 AnfG vorliege. Es werde verneint, dass dem Geldeingang beim Kläger ein Herausgabeanspruch des Vaters gegenüberstehe. Ein Auftragsverhältnis, Verwahrvertrag, Treuhandverhältnis, Inkassoverhältnis o. ä. als vertraglicher Herausgabeanspruch sei nicht gegeben. Ein Herausgabeanspruch aus Bereicherungsrecht zu Gunsten des Vaters des Klägers bestünde nicht; allenfalls wäre der Kläger nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dem zahlenden Kurierdienst zur Herausgabe verpflichtet. Sonstige Vereinbarungen zwischen Vater und Kläger über die Bezahlung des Vereinsbeitrags hinaus hätten nicht bestanden. Mit Überlassung von EC-Karte und Offenbarung der Geheimzahl (PIN) hätte der Vater des Klägers eine fiktive Kontovollmacht und jederzeit Zugriff auf das Konto gehabt. Der Vater habe bewusst veranlasst, dass Zahlungen vom Kurierdienst in das Eigentum des Klägers gelangt seien. Es liege also eine gerechtfertigte Bereicherung des Klägers vor, bei dem der Vater gerade keinen rechtlichen Herausgabeanspruch habe. Die Anfechtung, die hier auf § 4 AnfG gestützt werde, setze keine Gläubigerbenachteiligung voraus. Sollten Vereinbarungen zwischen Kläger und seinem Vater zur Nutzung des Fremdkontos bestehen, wären diese im Rahmen des Klageverfahrens aufzuklären, da ein neuer Sachverhalt zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gemäß § 3 AnfG führen könne.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend ang...

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