Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsätze einer im EU-Ausland ansässigen Internet-Apotheke: Erwerbsbesteuerung bei der Lieferung rezeptpflichtiger Medikamente an gesetzliche Krankenkassen – Abzug der an gesetzlich Krankenversicherte gezahlten Prämien von der Bemessungsgrundlage der steuerpflichtigen Versandhandelsumsätze gegenüber Privatpatienten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Folgt man der Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Lieferung rezeptpflichtiger Medikamente an gesetzlich Krankenversicherte der Erwerbsbesteuerung durch die gesetzlichen Krankenkassen unterliegt, kommt eine Minderung der Bemessungsgrundlage der gemäß § 3 c UStG im Inland ausgeführten steuerpflichtigen Versandhandelsumsätze einer im EU-Ausland ansässigen Internet-Apotheke gegenüber Privatpatienten und Kunden von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln um die an gesetzlich Krankenversicherte bei der Lieferung rezeptpflichtiger Medikamente gezahlten Prämien für die Preisgabe von gesundheitsbezogenen Daten nicht in Betracht, da diese Zahlungen mit den steuerpflichtigen Versandhandelsumsätzen in keinem Zusammenhang stehen und die Leistungsempfänger dieser Versandhandelsumsätze und die Empfänger der Prämien nicht identisch sind.
  2. Die Frage, ob die Versandapotheke die Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente umsatzsteuerlich direkt an die Kassenpatienten als Leistungsempfänger erbringt, kann offenbleiben, da dies zu einer den Klageantrag übersteigenden Umsatzsteuerfestsetzung führen würde.
  3. Eine auf die Klärung der zu 2. formulierten Frage gerichtete Feststellungsklage ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.
 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, Nr. 5, §§ 1a, 3 Abs. 6 S. 1, §§ 3c, 10 Abs. 1 Sätze 2-3, § 13a Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 Sätze 1, 4; MwStSystRL Art. 90, 138 Abs. 1, Art. 185 Abs. 1; SGB V § 2 Abs. 2; FGO § 41 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.11.2021; Aktenzeichen V R 4/21 (V R 41/17))

BFH (Beschluss vom 06.06.2019; Aktenzeichen V R 41/17)

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Versandapotheke. Sie versendet rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente in das Inland an Kunden, die entweder privat oder bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind.

Die Klägerin ist als Apothekerin berufsrechtlich gehalten, eine Medikamentenwechselwirkungsberatung gegenüber den Kunden durchzuführen. Sie konnte ihrer Beratungspflicht bei Internetbestellungen nur unter Mitwirkung der Patienten genügen. In diesem Zusammenhang sagte sie den Patienten für die Beantwortung von Fragen („Arzneimittel-Check”) zu ihrer Erkrankung und für die Übersendung eines Rezeptes eine Prämie („Aufwandsentschädigung”) in Höhe bis zu 15,00 EUR bzw. von 1,00 EUR pro Rezeptübersendung zu. Nach weiteren Angaben der Klägerin im Klageverfahren habe es sich bei dem sogenannten „Arzneimittel-Check” im Wesentlichen um einen Fragebogen sowie ggf. weitere telefonische Befragungen gehandelt, bei denen der Kunde u.a. Angaben zu Unverträglichkeiten, Allergien, Schwangerschaften, (Vor-) Erkrankungen und bereits eingenommenen Medikamenten mache. Die Prämien für die Teilnahme am „Arzneimittel-Check” verrechne die Klägerin bei gesetzlich versicherten Kunden in Deutschland jeweils mit den vom Patienten zu entrichtenden gesetzlichen Zuzahlungen für das bestellte Medikament, so dass es zu keiner Auszahlung von Geldbeträgen an die Patienten komme. Die konkrete Berechnung der Prämienhöhe erfolge anhand eines Prozentanteils der gesetzlichen Zuzahlung.

Die Klägerin ging davon aus, dass sie durch Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente an privat krankenversicherte Personen (Privatpatienten) und durch Lieferungen von rezeptfreien Produkten (sogenannte OTC („over the counter”) Umsätze) nach Deutschland gemäß § 3c UStG (in der Fassung des Streitjahres 2013) im Inland steuerpflichtige Versandhandelsumsätze erbracht habe und erstellte insoweit Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis und zog die „Aufwandsentschädigung” als Entgeltminderung im Sinne des § 17 UStG ab.

Demgegenüber ging die Klägerin bei von gesetzlich krankenversicherten Personen (Kassenpatienten) veranlassten Lieferungen von verschreibungspflichtigen Medikamenten davon aus, dass Abnehmer solcher Lieferungen wegen des Sachleistungsprinzips nach § 2 Abs. 2 SGB V die jeweilige gesetzliche Krankenversicherung (GKV) des Kassenpatienten sei. Gegenüber den Kassenpatienten stellte die Klägerin lediglich eine Rechnung über den an die Kasse abzuführenden Zuzahlungsbetrag abzüglich der „Aufwandsentschädigung/Prämie” und gegenüber der Krankenkasse eine Rechnung über den eigentlichen Medikamentenbetrag aus. In den Umsatzsteuervoranmeldungen wandte die Klägerin für solche Lieferungen bis einschließlich September 2013 mit Zustimmung des Beklagten die Vereinfachungsregel in Abschn. 1 a. 2. Abs. 14 UStAE a.F. an, wonach unter in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen ein innergemeinschaftliches Verbringen der Medikamente angenommen werden konnte, mit der Folge dass die K...

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