Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für ein volljähriges verheiratetes Kind nach Wegfall des Grenzbetrages – Höhe der Ausbildungsvergütung – Bedeutung des Unterhaltsanspruchs gegenüber dem Ehegatten – Fehlen einer typischen Unterhaltssituation

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Höhe der Ausbildungsvergütung eines in der Erstausbildung befindlichen volljährigen verheirateten Kindes und der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Ehegatten sind nach Wegfall des Grenzbetrages (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.) in Streitzeiträumen ab Januar 2012 für den Anspruch auf Kindergeld nicht mehr von Bedeutung.
  2. Ab dem Jahr 2012 kann auch das Fehlen einer typischen Unterhaltssituation die Kindergeldberechtigung der Eltern nicht mehr ausschließen.
 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 2, §§ 62, 63 Abs. 1; EStG a.F. § 32 Abs. 4 S. 2; BGB §§ 1360, 1360a, 1608 S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis einschließlich August 2012.

Die am ……..1987 geborene Tochter der Klägerin, S, wurde von 2009 bis 2012 als Stadtinspektoranwärterin bei der Stadtverwaltung K ausgebildet. Während dieser Ausbildung, am … 2011, hatte die Tochter geheiratet.

Nachdem die Klägerin Nachweise zu den Einkünften und Bezügen des Kindes ab 2010 beim Beklagten eingereicht hatte, hob dieser mit Bescheid vom 05.04.2012 die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom 01.01.2010 auf und forderte das bis zum 30.04.2012 gezahlte Kindergeld zurück.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass nach der ab 2012 zu beachtenden Gesetzesänderung das Einkommen eines Kindes während der Erstausbildung nicht mehr zu prüfen sei. Im Übrigen beziehe ihr Schwiegersohn lediglich Krankengeld.

Der Beklagte war der Auffassung, dass bei einem verheirateten Kind das verfügbare Einkommen auch nach der Gesetzesänderung weiterhin zu prüfen sei (sog. Mangelfallprüfung). Bereits die Einkünfte und Bezüge des Kindes S lägen hier für sämtliche Zeiträume über dem Grenzbetrag von 8.004 €. Auch ab dem 01.01.2012 bestehe kein Anspruch auf Kindergeld, da das verfügbare Nettoeinkommen des Kindes – nach Ansicht des Beklagten in Höhe von 6.793,52 € - den anteiligen Grenzbetrag (5.336 € = 8/12 von 8.004 €) übersteige. Eine Prüfung der Einkünfte und Bezüge des Schwiegersohnes sei daher nicht erforderlich. Daraufhin wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen (Einspruchsentscheidung vom 16.01.2013).

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist – unter Bezugnahme auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 30.11.2012 4 K 1569/12 Kg (Entscheidungen der FG –EFG- 2013, 298) - der Ansicht, dass ihr ab 2012 Kindergeld zustehe. Der Beklagte beachte nicht die ab 2012 geltende Rechtslage. Ihre Tochter habe sich im streitigen Zeitraum in einer erstmaligen Berufsausbildung befunden und werde von ihr unterstützt. Ob ein sog. Mangelfall vorliege, sei nicht mehr zu prüfen. Kindergeld sei unabhängig davon festzusetzen, ob die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes und die des Ehepartners den Grenzbetrag überschritten.

Im Übrigen sei der Ehemann der Tochter in dem hier fraglichen Streitzeitraum des Jahres 2012 wegen seiner Krankheit von dieser unterstützt worden ist. Er selbst habe lediglich Krankengeld bezogen. Hierzu hat die Klägerin Kopien von Kontoauszügen eingereicht (Bl. 14 bis 18 d. Gerichtsakte).

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungsbescheid vom 05.04.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.01.2013 dahin zu ändern, dass für den Zeitraum Januar bis einschließlich August 2012 für ihre Tochter S Kindergeld in Höhe von monatlich 184 € festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er ist der Ansicht, der Klägerin stehe ab 2012 kein Kindergeldanspruch zu. Die sog. Mangelfallprüfung sei nach Nr. 31.2.2 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) auch über den 01.01.2012 hinaus bei verheirateten Kindern durchzuführen. Als Familienkasse sei er an die Verwaltungsanweisung gebunden.

In der mündlichen Verhandlung am 25.07.2013 haben die Beteiligten auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am 25.07.2013 und der vom Gericht beigezogenen Kindergeldakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet nach § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist begründet.

Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis einschließlich August 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Die Klägerin hat für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter S.

Die Tochter der Klägerin erfüllt die Anspruchsvorau...

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