vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerpflicht physiotherapeutischer Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Erlöse für die Fortsetzung gleichartiger physiotherapeutischer Leistungen nach Auslaufen einer die Diagnose einer chronischen Erkrankung ausweisenden ärztlichen Verordnung (sog. Selbstzahlerleistungen) sind als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin umsatzsteuerfrei, wenn spätestens nach Ablauf eines Jahres wegen derselben chronischen Erkrankung eine erneute ärztliche Verordnung derartiger Leistungen vorgelegt wird (vgl. BFH-Urteil vom 01.10.2014 - XI R 13/14, BFH/NV 2015, 451; EuGH-Urteil -X-GmbH- vom 05.03.2020 - C-48/19, UR 2020, 298).
  2. Die in der Heilmittel-Richtlinie i.V.m. dem Heilmittelkatalog gelisteten verordnungsfähigen Heilmittel unterfallen nicht unabhängig von ihrer weiteren Beschaffenheit und einem individuellen Nachweis des jeweiligen Therapiezwecks als Verabreichung von Heilbädern dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG (entgegen Abschn. 12.11. Abs. 3 UStAE 2014).
  3. Ergänzende gesundheitsfördernde Maßnahmen wie Kinesio-Taping, Wärme- oder Kältetherapie, Extensionsbehandlungen, Präventionskurse oder Bewegungsübungen zum individuellen Muskelaufbau sind keine steuerfreien Nebenleistungen zur Physiotherapie aufgrund ärztlicher Anordnung.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 14a, § 12 Abs. 2 Nr. 9 S. 1; MwStSystRL Art. 98 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, Art. 132 Abs. 1c

 

Streitjahr(e)

2014, 2015

 

Tatbestand

Streitig ist die Umsatzsteuerpflicht physiotherapeutischer und allgemein der Gesundheitsförderung dienender Leistungen, die in den Jahren 2014 und 2015 ohne ärztliche Verordnung von der Klägerin erbracht wurden.

Die Klägerin ist ein Gesundheitsdienstleister in der Physiotherapie…in der Rechtsform einer .... Der Schwerpunkt liegt auf der gerätegestützten Physiotherapie; außerdem werden Massagen, manuelle Therapie sowie zahlreiche weitere Therapien angeboten. Die Klägerin ist zugelassener Partner aller Krankenkassen und bietet…auch Therapien im Rahmen der Integrierten Versorgung, Rehabilitations-Sport sowie kommerzielle Leistungen zur Gesunderhaltung wie Fitness-Programme und Präventions-Kurse an.

In der am…beim Beklagten, dem Finanzamt…-FA-, eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2014 erklärte die Klägerin bei Gesamtumsätzen iHv…€ (brutto) steuerfreie Umsätze iHv…€. In der Anlage zur Umsatzsteuererklärung wies die Klägerin darauf hin, dass in diesen steuerfreien Umsätzen die erbrachten physiotherapeutischen Leistungen ohne ärztliche Verordnung (z.B. weil der Patient nach ausgelaufenem Rezept als Selbstzahler weiterbehandelt wurde) iHv…€ enthalten seien. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass diese Umsätze als steuerfreie Heilbehandlung anzusehen seien (Hinweis auf FG Schleswig-Holstein 05.02.2014 - 4 K 75/12, EFG 2014, 590; nachgehend BFH-Urteil 01.10.2014 - XI R 13/14, BFH/NV 2015, 451). Die Umsatzsteuererklärung stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich.

Im Jahr 2016 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die Erlöse von selbstzahlenden Patienten, die ihre Therapie im Anschluss an eine ärztliche Verordnung auf eigene Rechnung fortgesetzt hatten, steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz seien.

Behandlungen von Angehörigen von Gesundheitsfachberufen im Anschluss bzw. im Nachgang zu einer Verordnung eines Arztes bzw. Heilpraktikers seien ohne erneute Verordnung grundsätzlich nicht als steuerfreie Heilbehandlung iSd § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG anzuerkennen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom…über die für den Zeitraum 2014 bis Februar 2016 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung Bezug genommen.

Das FA folgte der Auffassung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und erließ mit Datum vom…einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2014, mit dem bei einem unveränderten Gesamtumsatz iHv…€ (brutto) die steuerfreien Umsätze um…€ (brutto) gemindert und die dem Regelsteuersatz unterfallenden steuerpflichtigen Umsätze entsprechend um…€ (netto) erhöht wurden. Mit Datum ebenfalls vom…berücksichtigte das FA beim Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015 einen aus der Buchführung entnommenen Gesamtumsatz iHv…€ (brutto) sowie Umsätze zu 19 % iHv…€ (davon zusätzlich laut Prüferin…€) zzgl USt iHv…€, insgesamt…€ (brutto).

Hiergegen richteten sich die von der Klägerin erhobenen Einsprüche.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die streitigen Umsätze trotz fehlender ärztlicher Verordnung steuerfrei seien (Hinweis auf BFH 01.10.2014 - XI R 13/14, BFH/NV 2015, 451). Für die Steuerbefreiung der physiotherapeutischen Leistungen sei eine fortlaufende Verordnung nicht zwingend erforderlich. Zudem unterfielen die fraglichen Umsätze allenfalls dem ermäßigten Steuersatz.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wurde mit Änderungsbescheiden vom…dem Begehren der Klägerin teilweise entsprochen und physiotherapeutische Leistungen iHv…€ (netto)...

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