Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollwert nach der Transaktionswertmethode: Einfuhr von Waren zum ungewissen Verkauf – Ermittlung anhand der Großhandelseinkaufspreise der Lieferanten in China – Unterschreitung der üblicherweise zu erwartenden Ausfuhrpreise

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Fehlen von Verkäufen zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union vor dem Verbringen der angemeldeten Waren in das Zollgebiet schließt die Anwendung der Transaktionswertmethode aus.
  2. Werden aus China eingeführte Waren ohne den vorherigen Abschluss von Kaufverträgen in ein Auslieferungslager befördert, um sodann Kunden in der Europäischen Union zum Erwerb angeboten zu werden, können die Zollwerte nach den zu erwartenden späteren Kaufpreisen oder – soweit solche nicht feststellbar sind - auf der Grundlage der von der Zollverwaltung ermittelten Richtwerte bemessen werden.
  3. Eine Ermittlung anhand der Großhandelseinkaufspreise der Lieferanten in China ist nicht möglich, wenn diese unterhalb der üblicherweise zu erwartenden Verkaufspreise zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union liegen.
 

Normenkette

ZK Art. 29 Abs. 1, Art. 31 Abs. 1, 2 Buchst. C; UZK Art. 70 Abs. 1, Art. 74 Abs. 3; ZKDV Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1; UZK-DVO Art. 128 Abs. 1; UZK-DVO Art. 144 Abs. 1 S. 1; UZK-DVO Art. 144 Abs. 2 Buchst. c

 

Tatbestand

Die Klägerin schloss mit mehreren Lieferanten in der Volksrepublik China Vereinbarungen ab, auf Grund derer sie von diesen gelieferte Waren gegen Entgelt in eigenem Namen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr bzw. zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr anmeldete. Dementsprechend meldete die Klägerin aus der Volksrepublik China eingeführte Waren in den Jahren 2014, 2015 und 2016 beim Zollamt zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr bzw. zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an. Dabei gab sie an, dass den Einfuhren Kaufgeschäfte zugrunde gelegen hätten. Tatsächlich waren die eingeführten Waren noch nicht verkauft worden, sondern wurden in Auslieferungslager der A befördert. Alsdann sollten die Waren Kunden in der Europäischen Union über eine Internetplattform zum Erwarb angeboten und von der A an diese ausgeliefert werden.

Im Anschluss an eine Außenprüfung und Ermittlungen des Zollfahndungsamts vertrat das beklagte Hauptzollamt die Auffassung, dass die von der Klägerin angemeldeten Zollwerte nicht anerkannt werden könnten. Es erhob deshalb von der Klägerin mit 277 Bescheiden vom 22., 23., 24. und 25. August, 7., 8., 11. und 12. September, 9., 10., 11., 12. und 13. Oktober 2017 Zoll sowie Einfuhrumsatzsteuer nach.

Mit ihren hiergegen eingelegten Einsprüchen trug die Klägerin vor: Sie habe zutreffende Zollwerte angemeldet. Die Zollwerte dürften nur auf der Grundlage der Einkaufs- und Herstellungspreise ermittelt werden.

Das beklagte Hauptzollamt wies die Einsprüche mit Entscheidung vom 2. Februar 2018 zurück und führte aus: Da im Zeitpunkt der Einfuhr der Waren keine Kaufgeschäfte vorgelegen hätten, habe der Zollwert nicht nach der Transaktionswertmethode ermittelt werden können. Die Zollwerte seien deshalb anhand der auf der Internetplattform der A bekannt gegebenen Verkaufspreise für entsprechende Waren ermittelt worden, soweit aussagekräftige Beschauergebnisse für die eingeführten Waren vorgelegen hätten. Dabei sei der günstigste Preis zugrunde gelegt worden. Hinsichtlich der übrigen Waren seien die Zollwerte auf der Grundlage der von der Zollverwaltung ermittelten Richtwerte für die Einfuhr von Waren aus der Volksrepublik China ermittelt worden. Die von der Klägerin angemeldeten Zollwerte könnten nicht anerkannt werden, weil sie um das Zehn- bis Zwanzigfache unterhalb der üblichen Preise gelegen hätten.

Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Die von ihr angemeldeten Waren seien nicht zu einem ungewissen Verkauf eingeführt worden. Es sei zwar einzuräumen, dass den Zollanmeldungen nicht die auf sie ausgestellten Rechnungen hätten zugrunde gelegt werden dürfen. Aber auch bei einer Proforma-Rechnung hätten ein Warenempfänger und eine Adresse angegeben werden müssen. In den Rechnungen seien erheblich geringere als die üblicherweise zu erwartenden Preise ausgewiesen worden, weil es sich um die Großhandelseinkaufspreise der Lieferanten in China gehandelt habe. Dies sei zulässig gewesen, weil zum Zeitpunkt der Lieferung der Waren weder ein Kunde noch eine Bestellung vorgelegen hätten. Sie habe die Waren nicht überprüfen können, weil diese nicht in ihre Geschäftsräume geliefert worden seien.

Die Klägerin beantragt,

die 277 Bescheide vom 22., 23., 24. und 25. August, 7., 8., 11. und 12. September, 9., 10., 11., 12. und 13. Oktober 2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2018 aufzuheben.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Zum Zeitpunkt der Einfuhren der Waren habe kein Kaufgeschäft vorgelegen. Es habe sich deshalb um die Einfuhr von Waren zum ungewissen Verkauf gehandelt. Dabei sei es unerheblich, ob die Waren später verkauft wor...

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