Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablaufhemmung nach Betriebsprüfung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Wird nach Durchführung einer Betriebsprüfung ein nichtiger Schätzungsbescheid erlassen, bleibt hierdurch die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO unberührt und der Erlass eines (weiteren) Änderungsbescheides innerhalb der 4-Jahres-Frist des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO möglich.
  2. Für die Aufzeichnung der Bareinnahmen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kann die Führung eines Kassenkontos in EDV-gestützter Listenform ausreichend sein.
  3. Ein Sicherheitszuschlag auf der Einnahmeseite kann nicht mit der fehlenden Aufzeichnung des Pkw- und Telefoneigenverbrauchs begründet werden, wenn keinerlei aussagekräftige Anzeichen für die Unrichtigkeit der Angaben des Stpfl. ersichtlich sind.
  4. Bei Nichtvorlage geordneter und vollständiger Belege ist die Schätzung der Betriebsausgaben mit einem Prozentsatz der Einnahmen im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn keine Richtsätze existieren, anhand derer ein äußerer Betriebsvergleich möglich wäre.
  5. Bei der Höhe dieser Schätzung ist der innere Betriebsvergleich zu beachten.
 

Normenkette

AO § 146 Abs. 5 S. 1, §§ 147, 158, 162, 171 Abs. 3a, 4; FGO § 96 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz; EStG § 4 Abs. 3; UStG § 22 Abs. 2 Nr. 1; UStDV § 63 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2001, 2002, 2003

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 05.04.2011; Aktenzeichen VIII B 91/10)

 

Tatbestand

Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit gem. § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Augenarzt, die vom Beklagten (dem Finanzamt –FA–) gesondert festgestellt wurden. Für sämtliche Streitjahre (2001 bis 2003) gab der Kläger innerhalb der Abgabefrist keine Feststellungserklärungen und keine Gewinnermittlungen ab. Im Jahr 2006 führte das FA für die Streitjahre eine Betriebsprüfung (BP) beim Kläger durch, die mit dem BP-Bericht vom 21.2.2007 abschloss. Die vom Einspruchsführer zusammen gestellten Betriebseinnahmen von 817.593,99 DM (2001), 392.805,85 EUR (2002) und von 427.971,96 EUR (2003) erhöhte die Prüferin um einen Sicherungszuschlag von 40.000 DM (2001) bzw. 20.000 EUR (2002 und 2003). Die Betriebsausgaben setzte die Prüferin im Wege einer Schätzung mit 20% der Betriebseinnahmen an (2001 = 171.518,80 DM, 2002 = 82.561,17 EUR, 2003 = 89.594,39 EUR). Am 22.2.2007 ergingen Gewinnfeststellungsbescheide, in denen folgende Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit feststellt wurden:

2001

2002

2003

Einkünfte

686.075 DM

330.244 EUR

358.377 EUR

Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einsprüche ein. Zur Begründung führte er aus: Soweit der BP-Bericht darauf verweise, dass es zu Verzögerungen bei der Mitwirkung und der Vorlage von Unterlagen gekommen sei, beruhe dies auf seiner schweren Diabetes-Erkrankung. Ferner sei der Verfahrensgang dadurch erschwert worden, dass er alle zur Prüfung benötigten Unterlagen hätte beiziehen und fotokopieren müssen. Die für das FA besonders relevanten Unterlagen über die Einnahmen der Jahre 2001 bis 2003 hätten vollständig vorgelegen. Lediglich die Vorlage der Aufzeichnungen und Buchführungsunterlagen über die Ausgaben der Streitjahre sei noch nicht abgeschlossen. Es sei nicht so, dass diese nicht vorgelegt werden könnten. Die Vorlage habe sich lediglich aufgrund der genannten Umstände verzögert. Leider sei die BP darauf nicht konkret eingegangen, sondern habe statt dessen Einnahmen und Ausgaben geschätzt. Eine Schätzung stehe in seinem Fall aber schon entgegen, dass er die zu führenden Aufzeichnungen und Bücher sehr wohl vorlegen könne. Ferner handle es sich um eine unzulässige Strafschätzung. Es lasse sich aus keinem konkreten Gesichtspunkt ableiten, dass ein Sicherheitszuschlag von 40.000 DM bzw. 20.000 EUR gerechtfertigt sei. Solche Zuschläge würden sich selbst bei fiktiven Bareinnahmen für eine Augenarztpraxis nicht begründen lassen. Es stelle sich die Frage, mit welcher ärztlichen Leistung er sie hätte erzielen sollen. Noch weniger vermöge die Schätzung zu begründen, dass die Augenarztpraxis mit Ausgaben in Höhe von 20% der Einnahmen betrieben worden und der Rest Gewinn sei. Diese Annahme sei ohne jede konkrete Grundlage erfolgt. Weder sei ein Vorjahresvergleich noch ein äußerer Betriebsvergleich durchgeführt worden. Auch habe das FA keine Richtsätze herangezogen, keinen inneren Betriebsvergleich angestellt oder eine Nachkalkulation durchgeführt. Die Schätzung sei als willkürlich anzusehen. Zu Unrecht seien des Weiteren Sicherheitszuschläge von 40.000 DM bzw. 20.000 EUR hinzugerechnet worden. Dies geschehe aufgrund der fehlenden Aufzeichnungen der Bareinnahmen und der privaten Kfz- und Telefonnutzung. Auch diese Ausführungen würden einer Nachprüfung nicht standhalten. Bareinnahmen seien für eine Augenarztpraxis atypisch. Die Einnahmen aus kassenärztlicher Tätigkeit würden per Überweisung eingehen. Gleiches gelte für die Einnahmen aus privatärztlicher Behandlung. Sonstige Privatliquidationen bezögen sich insbesondere auf ärztliche Gutachten, Arztbriefe, Befundberichte etc. Auch diese würden übe...

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