Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhr eines Pkw in das Zollgebiet der Union über Bulgarien: Fiktion der Entstehung einer Zollschuld von weniger als 10 000 EUR im Mitgliedstaat der Feststellung, entsprechende Anwendung auf die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer für zollpflichtige Gegenstände

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird ein über Bulgarien in das Zollgebiet der Union eingeführter Pkw in Deutschland wirtschaftlich verwendet und dort die Entstehung einer Zollschuld von weniger als 10 000 EUR festgestellt, gilt auch die Einfuhrumsatzsteuer in entsprechender Anwendung des Art. 87 Abs. 4 UZK als in Deutschland entstanden (Urteil nach Vorabentscheidung des EuGH vom 3. März 2021 – C-7/20 –, juris).

 

Normenkette

UZK Art. 5 Nr. 31 Buchst. a, Art. 79 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 3 Buchst. a, Art. 87 Abs. 1 UAbs. 2, Abs. 4, Art. 124 Abs. 1 Buchst. k, Art. 135 Abs. 1, Art. 139 Abs. 1; UZK-DelVO Art. 136 Abs. 1 Buchst. a; UZK-DelVO Art. 139 Abs. 1; UZK-DelVO Art. 141 Abs. 1 Buchst. b; UZK-DelVO Art. 212 Abs. 3 Buchst. a; UZK-DVO Art. 218 Buchst. a; UZK-DVO Art. 219; UZK-DVO Art. 250 Abs. 2 Buchst. d; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 2; MwStSystRL Art. 60, 71 Abs. 1 UAbs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Erhebung von Einfuhrabgaben für die Einfuhr eines Pkw durch eine im Zollgebiet ansässige Person.

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er verbrachte im Oktober 2017 seinen Pkw mit amtlichen türkischen Kennzeichen aus der Türkei über Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland, ohne den Pkw zu einer Einfuhrzollstelle zu befördern und zu gestellen. Die Einfuhr des Pkw wurde im Rahmen einer Polizeikontrolle am 26.02.2018 in Deutschland festgestellt. Im März 2018 überführte er den Pkw wieder in die Türkei und verkaufte ihn dort.

Der Beklagte, das Hauptzollamt (HZA), setzte 1.589 EUR Einfuhrzoll und 3.321,01 EUR Einfuhrumsatzsteuer gegen den Kläger fest. Es vertrat die Auffassung, der Kläger habe den Pkw vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union eingeführt. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage.

Der Kläger trägt zur Begründung vor, es liege keine abgabenpflichtige Einfuhr vor, weil er den Pkw für einen kurzen Zeitraum ausschließlich als Transportmittel für rein private Fahrten genutzt habe. Er habe den Pkw konkludent in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung überführt.

Der Pkw sei nicht in Deutschland in den Wirtschaftskreislauf eingegangen, sondern im März 2018 wieder in die Türkei überführt worden. Die schlichte Nutzung des Pkw in Deutschland reiche dazu nicht aus.

Der Kläger beantragt,

den Einfuhrabgabenbescheid vom 09.10.2018 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung von 21.01.2019 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das HZA ist der Auffassung, die Einfuhrzollschuld sei gem. Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK) entstanden und es sei gem. Art. 87 Abs. 4 UZK für die Festsetzung der Einfuhrabgaben zuständig gewesen. Gem. § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seien diese Vorschriften entsprechend auf die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer (Mehrwertsteuer) anzuwenden. Durch die längerfristige Nutzung des Pkw sei dieser in den Wirtschaftskreislauf eingegangen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 11.12.2019 das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 UAbs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung der Frage ersucht, ob Art. 71 Abs. 1 UAbs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuerrichtlinie) dahin auszulegen, dass die Vorschrift des Art. 87 Abs. 4 UZK auf die Entstehung der Mehrwertsteuer (Einfuhrumsatzsteuer) entsprechend anzuwenden ist. Der EuGH hat darüber mit Urteil vom 03.03.2021 (C-7/20, ECLI:EU:C:2021:161) entschieden.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Senat entscheidet gem. § 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da der Sachverhalt geklärt ist und der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden hat.

2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

a) Das HZA hat zu Recht Einfuhrzoll festgesetzt.

aa) Der Kläger hat seine zollrechtlichen Verpflichtungen bei der Einfuhr des Pkw in das Zollgebiet der Union, namentlich die Verpflichtung zur Beförderung der Waren zur Zollstelle (Art. 135 Abs. 1 UZK) und Gestellung (Art. 139 Abs. 1 UZK), nicht erfüllt. Infolgedessen ist gem. Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK eine Einfuhrzollschuld entstanden. Der Kläger ist gem. Art. 79 Abs. 3 Buchstabe a UZK Zollschuldner.

Eine konkludente Anmeldung des Pkw zur vorübergehenden Verwendung durch Passieren der Zollstelle gem. Art. 141 Abs. 1 Buchstabe b der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28.07.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des ...

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