rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehler in der Programmierung des Steuerberechnungsprogramms der Finanzverwaltung als offenbare Unrichtigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird durch einen Fehler in dem von der Finanzverwaltung genutzten EDV-Programm eine betragsmäßig bestimmt in den Eingabebogen eingetragene Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer (Ausbildungsfreibetrag) mit dem fünffachen Wert übernommen und der Steuerfestsetzung zugrundegelegt, so kann die Einkommensteuerfestsetzung aufgrund des beim Erstellen des Programms aufgetretenen mechanischen Versehens wegen offenbarer Unrichtigkeit berichtigt werden. Für die Annahme eines Rechtsfehlers bei der Programmierung bleibt demgegenüber kein Raum.

 

Normenkette

AO § 129

 

Streitjahr(e)

2001

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller werden für das Streitjahr 2001 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung machten sie u. a. einen Ausbildungsfreibetrag für die Tochter L geltend, die nach dem Abitur ab Oktober 2001 in G studierte. Der Antragsgegner - das Finanzamt - veranlagte die Antragsteller antragsgemäß zur Einkommensteuer. Dabei ermittelte die Sachbearbeiterin den Ausbildungsfreibetrag mittels einer besonderen Berechnung, weil die Tochter einen Teil des Jahres zu Hause, den anderen Teil auswärts untergebracht war. Sie rechnete: „1.800 + 1.050 = 2.850” und trug den Betrag von „2.850” in den Eingabewertbogen im Sachbereich 99/ 53 unter Kennziffer 65 („Ausbildungsfreibetrag”) ein. Im Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 22. Januar 2003 wurde die Einkommensteuer auf 19.768,59 EUR festgesetzt; hierbei war unter „Ausbildungsfreibetrag/ -freibeträge” ein Abzugsbetrag in Höhe von 14.250 DM berücksichtigt.

Durch eine EDV-Kontroll-Liste erfuhr das Finanzamt umgehend davon, dass im Falle der Antragsteller und anderer Steuerpflichtiger durch einen EDV-Fehler Ausbildungsfreibeträge in unzutreffender Höhe in Steuerbescheiden angesetzt worden sind. Das Finanzamt erließ daraufhin am 18. Februar 2003 gegenüber den Antragstellern einen Einkommensteuer-Änderungsbescheid und setzte - unter Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrags von 2.850 DM - die Einkommensteuer 2001 auf 21.835,23 EUR fest. Zur Begründung führte das Finanzamt an, infolge eines Programmfehlers sei der Ausbildungsfreibetrag falsch ermittelt worden; der Bescheid sei deshalb gemäß § 129 AO berichtigt worden.

Hiergegen erhoben die Antragsteller Einspruch. Sie trugen vor, Programmfehler seien keine offenbaren Unrichtigkeiten i.S.d. § 129 AO. Zwar stellten Eingabefehler (die fehlerhafte Übernahme von Daten aus der Steuererklärung in das DV System) offenbare Unrichtigkeiten dar, nicht jedoch Fehler der Programmierung, weil sich diese nicht in der mechanischen Übernahme von Daten erschöpfe, sondern ein Nachdenken erfordere. Dieses Nachdenken schließe das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit aus, weil nicht nachvollziehbar sei, welche Gedankengänge der jeweilige Programmierer gehabt habe. Hier sei von einem Denkfehler, also einem Rechtsfehler auszugehen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt führte zur Begründung aus, auch bei Fehlern im Rahmen der EDV sei nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen, ob ein mechanisches Versehen (Irrtum über den Programmablauf) vorliege, das eine Änderung nach § 129 AO eröffne, oder ob die Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder einer unrichtigen Tatsachenwürdigung bestehe, die eine solche Änderung ausschließe. Im Streitfall sei im Rahmen der Programmierung ein Rechtsfehler ausgeschlossen, der Fehler liege darin, dass zu dem eingegebenen Wert zusätzlich Beträge hinzuaddiert worden seien, die zu Beginn der jeweiligen Berechnung hätten gelöscht sein müssen. Wie das Automationsreferat mitgeteilt habe, sei im Rahmen verschiedener Günstigerprüfungen das Ergebnisfeld nicht immer wieder gelöscht, sondern mehrfach bedient worden.

Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 18 K 3281/03 A (E) anhängig ist. Nachdem das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, beantragen sie die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Sie sind der Auffassung, der vorliegende Fehler sei nicht leicht und einwandfrei zu identifizieren, sondern liege in den Tiefen des Computerprogramms der Finanzverwaltung verborgen und könne nur durch intensive Ursachenforschung eruiert werden. Wenn der Programmierer den Ausbildungsfreibetrag summiere, müsse er sich Gedanken gemacht haben. Eine planlose Kumulation des Ausbildungsfreibetrags auf Grund der mehrfachen Günstigerprüfung scheine widersinnig. Hier müsse ein Denkfehler vorliegen.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Einkommensteuer-Änderungsbescheids vom 18. Februar 2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2003 auszusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vom Gericht beigezogenen Steuerakten Bezug geno...

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